Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
172 Steine und Erden. VI. Buch. 
  
es mit sich, daß die Arbeiterzahl gewaltig verringert werden kann. Es werden also nütz- 
liche Kräfte für andere Arbeiten im Lande frei. Den modernen ODrehöfen gibt man 
einen Durchmesser von 2 bis über 3 m und eine Länge bis zu 70 m und mehr. 
Von dem verdienten Zementforscher Dr. WMichaelis ist gefunden worden, daß Zemente, 
in denen die Tonerde im wesentlichen durch Eisenorxpd vertreten ist, den Einwirkungen 
des Meerwassers bei weitem besser widersteht als gewöhnlicher Portlandzement. Für 
unsere Hafenbauten und Küstenbefestigungen ist diese Entdeckung von ungeheurer Trag- 
weite. Bei der Fabrikation im großen mischt man fein gemahlenen Kalkstein, nament- 
lich kieselsäurereichen Kalkmergel innig mit fein gemahlenen Eisenerzen, wie Braun- 
und RNoteisenftein, Raseneisenerz oder Spateisenstein und brennt das Gemenge. 
Die deutsche Zementindustrie hat einen ungeheuren Aufschwung genommen. Das 
Portlandzementwerk Heidelberg ist das größte der Welt. Die Verbilligung der Zement- 
preise hat den Zementfabriken nicht zum Schaden gereicht. Sie haben verstanden, den 
Verlust am Preise durch Verbesserung der Fabrikation wettzumachen und sich auf den 
Massenbetrieb einzurichten. Denn der Verbrauch an Zement ist ungeheuer gestiegen. 
Zement aus deutscher Erde schützt unsere Küsten und die Insel Helgoland vor dem Nagen 
der Meeresfluten. Den eben erst geschaffenen mächtigen Talsperren, die unzähligen 
Verbrauchern im deutschen Vaterlande Kraft und Licht spenden und das Land vor Über- 
flutungen schützen, verleiht er Halt und Stärke. In Monierbauten treten Eisengerüste, 
die als Einlagen dienen, und Zementmörtel, der sie umhüllt, zu nützlicher Gemeinschaft 
zusammen. Naturgesteine werden ersetzt durch Körper aus Zementmörtel. Durch Zu- 
mischung von Marmorkörnern oder Kieseln zu Zement hat man es in der Hand, mehr 
marmor- oder sandsteinartige Massen zu erhalten. Da die Massen bildsam sind, kann 
man ihnen in Formen leicht Gestalt verleihen. So stellt man Säulen, Kapitäle und 
Figuren für den Schmuck von Bauten her. Damit diese Gebilde das Aussehen von 
Naturgesteinen gewinnen, bearbeitet man sie nachträglich an der Oberfläche mit den 
Werkzeugen des Bildhauers. In den großen Brauereien werden jetzt die Gär- und 
Kühlgefäße aus Zement mit Eiseneinlagen hergestellt. Die Eiseneinlagen dienen zu- 
gleich zum Befestigen von Rohrschlangen, die in den Wänden der Gefäße liegen und 
dazu bestimmt sind, Kühlflüssigkeiten aufzunehmen. Die Nohrschlangen erhöhen die 
Widerstandsfähigkeit der Gefäße gegen die Beanspruchungen durch Druck und Zug. 
Von großem wirtschaftlichen Wert ist die Einführung fein gemahlener Hochofen- 
schlacke als Zuschlag zum Portlandzement geworden. Oie Hochöfen liefern dem Ge- 
wichte nach im Ourchschnitt ungefähr dasselbe Quantum Schlacke wie Roheisen. Da 
sich nun die spezifischen Gewichte beider wie 3 zu 1 verhalten, ergibt sich, daß das Volumen 
der Schlacke ungefähr das Dreifache des Bolumens des Eisens beträgt. Aus diesen An- 
gaben läßt sich schließen, welche bedeutenden Mengen Schlacke die sehr entwickelte Hoch- 
ofenindustrie Deutschlands täglich darstellt. Von diesem Nebenprodukt wanderte früher 
der größte Teil auf die Halde und blieb ungenutzt. Jetzt wird ein Teil der fallenden 
Schlacke als Bergeversatz in den ausgeraubten Strecken von Kohlengruben gebraucht. 
Die beim Abbau der Kohlengruben entstehenden Hohlräume müssen nämlich wieder 
ausgefüllt werden, wenn man erreichen will, daß sich die Erdoberfläche nicht senkt. Dazu 
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