Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
VI. Buch. Die Nahrungsmittelindustrie. 193 
  
dazu übergingen, auch rein pflanzliche Margarine, d. h. der Butter ähnliche Speisefette 
nur aus pflanzlichen Fetten und Olen herzustellen. 
Aber nicht nur durch die gesteigerte Verarbeitung in der Margarineindustrie ist die 
Nachfrage nach pflanzlichen Fetten und Olen ständig gewachsen, sondern auch dadurch, daß 
der Verbrauch dieser Fette zur unmittelbaren Verwertung bei der Zubereitung von 
Speisen stetig zugenommen hat. Als Gründe dieser Erscheinung können das Anwachsen 
der Bevölkerung, das Steigen der Preise für tierische Fette und die gute Beschaffenheit 
angeführt werden, in welcher die pflanzlichen Fette beute zu einem verhältnismäßig 
billigen Preise in den Handel gebracht werden. 
Such die Zollverhältnisse spielen hierbei eine Rolle. Das Olivenöl geht, wenn 
es rein, d. h. unverfälscht ist, nach dem Zolltarifgesetz vom 25. Dezember 1902, zollfrei 
ein, während die übrigen fetten Ole einer verschieden hohen Verzollung unterliegen. 
#AOuch die Olfrüchte und Olsämereien sind teils zollfrei, teils unterliegen sie einem 
nur niedrigen Zollsatz. So sind zollfrei die für die Olgewinnung besonders in Be- 
tracht kommenden folgenden Rohstoffe: Baumwollsamen, Kopra, Palmkerne und 
Sojabohnen, welche letztere in neuerer Zeit anfangen eine größere Bedeutung zu gewin- 
nen. Andererseits unterliegen Erdnüsse und Sesamsamen einer Verzollung von 2 Mk. 
für 1 Doppelzentner. Diese Umstände haben dazu geführt, daß sich namentlich seit dem 
Inkrafttreten des neuen Zolltarifes (1. März 19060) in Deutschland die mit der Gewinnung 
fetter Ole sich beschäftigende Induftrie immer weiter entwickelt hat und heute bereits 
einen wesentlichen Einfluß auf den Pflanzenfettmarkt ausübt. Diese Entwickelung der ein- 
beimischen Olinduftrie ist daher in wirtschaftlicher Hinsicht von großer Bedeutung geworden. 
Gehärtete Fette. Die Verhältnisse auf dem Fettmarkt sind gegenwärtig durch 
die Härtung der Fette in einer vollständigen Umwälzung 
begriffen. Bei der Erörterung der Versorgung des Nahrungsmittelgewerbes mit den 
nötigen Fettmengen und ihrer Verarbeitung zu gebrauchsfertiger Ware muß daher 
auch der Gewinnung der gehärteten Fette und ihrer Bedeutung für die Nahrungsmittel- 
versorgung einige Aufmerksamkeit gewidmet werden. 
Es ist bekannt, daß die natürlichen tierischen und pflanzlichen Fette bei gewöhnlichen 
Wärmegraden eine sehr verschiedene Beschaffenheit zeigen. Teils sind sie fest wie Kinder- 
talg, teils salbenartig wie Butter oder Schmalz, teils flüssig wie Walfischtran, Olivenöl 
Baumwollsamenöl oder andere pflanzliche fette Ole. Zur unmittelbaren Ernährung 
finden die festen Fette seltener Anwendung als die salbenartigen oder flüssigen Fette. 
Aber die festen Fette sind unentbehrlich für die Herstellung der Margarine und sie finden 
vor allem bei der technischen Verarbeitung der Fette zur Herstellung von Seifen und von 
Kerzen ausgedehnte Verwendung. 
Der hierdurch bedingten starken Nachfrage nach festen Fetten, vornehmlich nach 
Kinder- oder Hammeltalg, vermag aber das Angebot in den letzten Jahren immer we- 
niger zu genügen. Infolgedessen sind die Preise dieser Fette ständig in die Höhe ge- 
gangen und alle die Fette verarbeitenden Gewerbe sind zeitweilig bei der Beschaffung 
ihrer wichtigen NRohstoffe in große Verlegenheit gekommen. 
  
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