Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

Die Gesamtentwicklung der deutschen Industrie und ihre 
Bedeutung in der Weltwirtschaft 
(Unter besonderer Berücksichtigung einiger im Vorausgehenden nicht behandelten 
Industriezweige) 
Von Prof. Dr. Leopold von Wiese und Kaiserswaldau, Düsseldorf 
1. Allgemeine Grundzüge der Entwicklung der deutschen Industrie 
seit 1888. 
Industrie und Kultur. Der Leser, der in den vorausgehenden Abschnitten 
der Darstellung der großen deutschen Industriezweige 
des Berg- und Hüttenwesens, der Maschinen-, der Elektrizitätsindustrie, der chemischen, 
der Textilindustrie, der Industrie der Steine und Erden und schließlich der Nahrungs- 
mittelindustrie gefolgt ist, sieht am Ende die deutsche Industrie vor seinen inneren Augen 
als einen stolz ragenden Bau, dessen mächtiger Umfang mehr als das meiste andere 
für die ersten 25 Zahre der Regierungszeit Kaiser Wilhelms ll. charakteristisch ist. Biel- 
leicht ist daneben mur noch das Wachsen und Blühen der Kriegs- und Handeleflotte ein 
gleich bezeichnendes Merkmal dieser Epoche. Denn was man sonst als hauptsächliche 
Wesenszüge dieser gesegneten Zahre des Friedens nennen könnte: Bevölkerungsmehrung, 
Wachstum des Wohlstandes, Ausdehnung der weltwirtschaftlichen Beziehungen, Ge- 
deihen der Städte, alles das hängt eng mit der Entfaltung der Industrie zusammen. 
In diesem Zusammenhange liegt aber zugleich die Rechtfertigung dafür, daß wir die 
industrielle Entwicklung der letzten 25 Jahre als ein Glück dankbar preisen. Nur wenn 
sich Industrie und Kultur gegenseitig bedingen und die Blüte der gewerblichen Tätig- 
keit das Kulturleben fördert, werden wir vom Standpunkte des Volkswohls bereit sein, 
in der starken Entfaltung der Industrie Deutschlands ein Heil zu sehen. Läßt sich für den 
kulturfördernden Einfluß des Großgewerbes der Beweis erbringen, dann wird die 
ungeahnte Blüte der deutschen Industrie in den Zahren 1888 bis 1915 zu den Ruhmes- 
titeln dieses Regierungsabschnittes des jetzt herrschenden Monarchen gehören: für ihn, 
der die industrielle Entwicklung nach Kräften — besonders durch die Erhaltung des 
Friedens — gefördert hat, wie für die in der Industrie tätigen Mencchen, schließlich 
für das ganze Volk selbst. Vor 100 Jahren, als die industrielle Entwicklung Englands 
bereits vorgeschritten war, die Deutschlands sich in den ersten Anfängen befand, schien 
es vielen wohlmeinenden Staatsmännern und Philosophen sehr zweifelhaft, ob nicht 
  
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