Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
VI. Buch. Die Gesamtentwicklung der deutschen Industrie. 217 
  
baumschmuck, Thlorkalium, Kalbfelle und Kautschuk; nach Frankreich Felle zu Pelzwerk, 
Steinkohlenkoks und Steinkohlen; nach Rußland Roggen, Steinkohlen, Felle, Ober-- 
leder; nach den Niederlanden Steinkohlen, Roggen, Kleider, Putzwaren, Leibwäsche usw., 
schmiedbares Eisen; nach der Schweiz schließlich Steinkohlen und wollene Kleiderstoffe. 
Es ist naturgemäß, daß bei der industriellen Ausfuhr die Nachbarländer (abgesehen 
von den Vereinigten Staaten) obenan stehen. ) Erfreulicherweise ist aber auch die 
Versorgung nichteuropäischer, besonders halbzivilisierter Bölker durch 
Deutschland im Wachsen. Freilich ist hierin der Vorsprung Englands noch 
groß; es wäre sehr zu wünschen, daß die nächste Zukunft hierin eine be- 
trächtliche Zunahme brächte. Vor allem müßte sich der Export gewerblicher Er- 
zeugnisse nach Ostasien steigern lassen. In den letzten Jahren betrug die Ausfuhr nach 
Asien insgesamt 1909: 285,1, 1910: 332,5; 1911: 383,5, 1912: 420,2 Millionen Mark 
An erster Stelle steht dabei Japan mit 110,6 Millionen Mark; dorthin gehen vor allem 
Kammgarn aus Wolle, schmiedbares Eisen in Stäben und Teerfarbstoffe; dann folgt 
Britisch--Indien, wohin Stangen, Bleche, wollene Kleiderstoffe, Teerfarbstoffe, baum- 
wollene Gewebe usw. exportiert werden. Dann erst (an dritter Stelle) folgt China, 
das Indigo, Patronen (19120, Teerfarbstoff usw. aus Deutschland bezog. 
Oeutschland, England und Amerika. Die zunehmende Industrialisierung 
Deutschlands und die sich daraus er- 
gebende Zunahme des Fertigwarenexports ist vorwiegend die Ursache für den handels- 
politischen Gegensatz zwischen dem Reiche und England gewesen. Noch vor 50 Jahren 
betrachtete Großbritannien sein Verhältnis zu Deutschland im Bilde der Beziehungen 
von Stadt und Land; das Kontinentalland sollte agrarische Erzeugnisse dem industriellen 
England liefern und zum Austausch dafür fertige Industrieprodukte erhalten. Als dann 
binter der Mauer von Schutzzöllen seit 1879 die deutsche Industrie erstarkte, hoffte man 
jenseits des Kanals immer noch, daß das deutsche Vordringen nur der größeren Billig- 
keit seiner Erzeugnisse von geringerer Qualität zuzuschreiben, also als eine vorübergehende 
Erscheinung anzusehen wäre. Seit den 90er Jahren gelang es aber dem deutschen Import 
sogar in englischen Städten teilweise mit Waren zu konkurrieren, die früher als britische 
Spezialität betrachtet worden waren. 1911 übertraf ferner die Ausfuhrziffer von Eisen 
und Stahl die des englischen Exports. Zn den meisten exotischen Gebieten freilich blieb 
die deutsche Einfuhr fast eine Bagatelle gegenüber den ungeheueren englischen Waren- 
mengen. Immerhin hat zu den imperialistisch-schutzzöllnerischen Plänen, wie sie von den 
englischen Unionisten gehegt werden, neben dem amerikanischen Wettbewerb besonders 
der deutsche Warenexport beigetragen. Daß England sich aus wohlverstandenen Not- 
wendigkeiten heraus gegen die deutsche Industriekonkurrenz würde zur Wehr setzen müssen, 
wäre vor 1888 als ein phantastischer Traum erschienen. Sehr lehrreich sind dafür einige 
Zahlen über Einfuhr und Ausfuhr von Maschinen":). Gerade in der Entwicklung der 
1) Infolge der zentralen Lage Deutschlands ist ihr Zmport aus Deutschland stärker gestiegen als ihre 
Einfuhr aus Großbritannien. 
) Mitgeteilt von Zastrow auf S. 109 seiner Textbücher zu Studien über Wirtschaft und Staat, Bd. 1: 
Handelspolitik, Berlin 1912. 
  
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