Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
VI. Buch. Die Gesamtentwicklung der deutschen Indusftrie. 225 
  
Daß auch die Hauptstadt des Landes eine bedeutende Industriestadt ist, daß sie 
darin (wie in einer Abhandlung „ODresden als Industrieftadt“ hervorgehoben wird) 
sogar schon an vierter Stelle unter allen deutschen Großstädten steht, kommt den Be- 
suchern der stolzen Kunftstadt selten zum Bewußtsein. Dresden ist eben vorwiegend 
eine Stadt der Fertigwarenindustrie mit ihrer Verzweigtheit und Typenfülle. „Es 
fehlt die starke Vertretung einzelner Branchen, die vielfach einer Gegend oder einem 
ganzen Bezirk einen bestimmten Charakter aufdrücken, wie dies in den Kohlen- und Eisen- 
industrien Rheinland-Westfalen!)) und Belgiens oder in den Baumwollbezirken Englands, 
in Sachsen z. B. in Chemnitz und in Leipzig der Fall ist.“ Wichtige Industrien Dresdens 
mit zahlreichen Großbetrieben sind die Schokoladen- und Zuckerwarenindustrie, die 
Zigarettenindustrie, die Fabrikation von Maschinen, Instrumenten und Apparaten, 
die Strohhutfabrikation, die Blechwarenproduktion, die der Schokoladen- und Zigaretten- 
industrie als Hilfsgewerbe gefolgt ist, die Herstellung künstlicher Blumen usw. Unter 
den Erzeugnissen aller dieser (und noch anderer) Industrien befinden sich sehr viele für 
den Export bestimmte Produkte. 
Richt nur Preußen, auf das der bei weitem größte Anteil der schweren, besonders 
der Montanindustrie entfällt, sondern auch den anderen deutschen Bundesstaaten, von 
denen wir Sachsen und Württemberg eben als Beispiel angeführt haben, und die haupt- 
sächlich die Verfeinerungsinduftrie pflegen, ist der allgemeine wirtschaftliche Aufschwung 
der letzten Jahrzehnte zugute gekommen. 
Aus der Entwicklung einiger Industrie- rnsbnn — % 
zweige: a) der Uhrenindustrie. Gruppernwerzweigung der Zndu- 
strien zu folgen, so blicken wir bei den Gewerben der Fertigwaren in eine unübersehbare 
Fülle, aus der wir, wie oben angedeutet wurde, zu einer ganz kurzen Betrachtung nur 
den einen oder anderen Zweig herausheben können?): 
In der Schwarzwälder Uhrenindustrie, die bis vor wenigen ZJahrzehnten eine 
Domäne des Kleinbetriebs einer bäuerlichen Bevölkerung war, hat — wie Dienstag 
näher darlegt — die jüngste Entwicklung ein unaufhaltsames Vordringen des Großbetriebs, 
wund zwar sowohl des Großbetriebs in zentralisierter Form in Gestalt großer Fabriken 
als auch in dezentralisierter Form, indem ein Teil der ehedem selbständigen Kleinmeister 
als Heimarbeiter durch das Unternehmertum weiter beschäftigt wird“, gezeitigt. Im 
Landeskommissariatsbezirk Konstanz waren z. B. tätig 1882: 3050 Personen in 1035 Be- 
  
  
1) Wie sich in Rheinland-Westfalen die Fertigwarenindustrie zwischen die schwere Industrie zu schieben 
sucht, zeigt eine Reihe lesenswerter Abhandlungen in der demnächst im Verlag von Baedeker-Essen erscheinen- 
den, sehr interessanten „Heimats- und Wirtschaftskunde für Rheinland und Westfalen“ von Dr. Brandt und 
Dr. Most. 
) Hierbei habe ich, abgesehen von Berichten einzelner Firmen, besonders die von Prof. Dr. Ludwig 
Sinzheimer hHerausgegebenen technisch-volkswirtschaftlichen Monographien benutzt, die im Verlage von 
Dr. Werner Klinkhardt in Leipzig erschienen sind. So über die Uhrenindustrie von Dr. Paul Dienstag, die 
Glasindustrie von Dr. Nobert Großmann, der Lederindufstrie von Dr. Julius Trier, die Papierfabrikation 
von Dr. Franz Schaefer, die Schuhindustrie von Dr. Friedrich Behr. 
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