Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
236 Der auswärtige Handel. VI. Buch. 
  
von zirka 107 Mill. Mark jährlich, in der zweiten von 86 Mill. Mark. Zergliedern wir 
diese Zahlen in Einfuhr und Alusfuhr, so zeigt sich die folgende Entwicklung: 
Einfuhr Ausfuhr 
1822 3464,6 2492,2 
18104040 3888,1 220,8 
1822020200 4403,4 3339,.8 
Die Einfuhr hat sich mithin in der ersten Periode durchschnittlich um 61, in der 
zweiten um 45 Mill. Mark jährlich vermehrt. Bei der Ausfuhr ergeben sich für die erste 
Periode 47, für die zweite 45 Mill. Mark. 
Es zeigt sich somit, daß die Intensität des Außenhandels nach dem handelspoliti- 
schen Umschwung im Jahre 1879 zurückgegangen ist; am auffallendsten tritt dies bei 
der Einfuhr in die Erscheinung. Das damals im Auge gehabte Ziel, eine Verringerung 
der Einfuhr herbeizuführen, ist also erreicht worden, gleichzeitig freilich auch die nicht 
gewollte Verlangsamung in der Bermehrung der Ausfuhr in Kauf zu nehmen gewesen. 
Sie Caprioische 9andelspolitik. Als Kaiser Wilhelm Il. 1888 die Regierung 
übernahm, war die letzte handelspolitische 
Aktion (der Tarif von 1887) eben beendet. Zu weiteren positiven Maßnahmen von 
größerer Bedeutung ist es dann zunächst nicht gekommen. Erst zu Anfang der 90iger 
Jahre setzt eine neue handelspolitische Ara ein: die Caprivische Handelspolitik, 
an deren Durchführung Kaiser Wilhelm lI. bekanntlich den regsten Anteil genommen 
hat und die uns hier etwas eingehender beschäftigen muß. 
Die im Jahre 1887 erfolgte Zollerhöhung auf agrarische Produkte war nicht aus- 
schließlich durch die Lage der deutschen Landwirtschaft bedingt, sondern entsprang zum Teil 
der Aufassung Bismarcks, daß er gegenüber Rußland und Österreich, welchen Ländern die 
deutschen Tarifänderungen den Anlaß zu namhaften Erhöhungen der Zölle auf deutsche 
Industrieprodukte gegeben hatten, ein Kampfmittel in der Hand haben müsse. Die 
Anwendung dieses Kampfmittels führte freilich zu Mißerfolgen, da beide Staaten ihre 
bisherigen Maßnahmen nur verschärften und eine Verständigung nicht zustande kam. 
Ahnlich lagen die Verhältnisse in andern Ländern. Hierzu kam weiter, daß die europäi- 
schen Staaten in den achtziger Jahren ein umfassendes Konventionaltarifsystem geschaf- 
fen hatten, das die Bedingungen des gegenseitigen Güteraustausches für längere Zeit 
festlegte. Deutschland hatte infolge seiner autonomen Handelspolitik an diesem Ver- 
tragssystem nur in ganz bescheidenem Umfange teilgenommen (Spanien, Stalien, Grie- 
chenland); es regelte seine Handelsbeziehungen durch bloße Meistbegünstigungsverträge. 
Hierdurch behielt es für seine eigenen Maßnahmen freie Hand, während es gleichzeitig 
  
1) Bei der Würdigung dieser Zahlen ist zu beachten, daß sie auf absolute Zuverlässigkeit inkeen Anspruch 
machen könmen, denn fast gleichzeitig mit der Einführung des Zolltarifgesetzes von 1879 wurde eine tiefein- 
schneidende Anderung der deutschen Handelsstatistik vorgenommen. Das „Gesetz vom 20. Juni 1879 betreffend 
die Statistik des Warenverkehrs des deutschen Jollgebietes mit dem Ausland“ führte vor allem zu einer schär- 
feren Erfassung der Ausfuhr, die bis 1879 nicht annähernd vollständig nachgewiesen war. Ein erheblicher Teil 
der in sener zweiten Periode ermittelten Steigerung der Ausfuhrziffern ist bierauf zurückzuführen, so daß die 
verringerte Ausfuhrintensität stärker ist, als es nach den obigen Zahlen den Anschein hat. 
684
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.