Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
VI. Buch. Der auswärtige Handel. 263 
  
fuhr von Kautschuk und Guttapercha, Mineralöl usw. Deutschland hat in bezug auf seine 
wichtigsten Rohstoffe heute einen Grad der Abhängigkeit vom Auslande erreicht, der für 
seine gewerbliche Produktion von ausschlaggebender Bedeutung ist. 
Die so übernommenen Auslandsverpflichtungen müssen bezahlt werden. Es ge- 
schieht dies durch die Mehrausfuhr von Zabrikaten und Halbfabrikaten, die sich im 
letzten Menschenalter, wie schon bemerkt, einer erstaunlichen Zunahme erfreuten. An 
der Spitze der deutschen Ausfuhr von Fabrikaten und Halbfabrikaten stehen Metallwaren, 
Maschinen und Fahrzeuge, Gewebe und Chemikalien. Der Ausfuhrüberschuß an Metall- 
waren betrug im Jahre 1872 41, im letzten Zahre aber weit über eine Milliarde Mark. 
Der Ausfuhrüberschuß an Maschinen usw. ist von 33 auf ca. 700 Millionen Mark gestiegen. 
Im Hinblick auf Chemikalien hat der Einfuhrüberschuß von 1872 in einen Ausfuhrüber- 
schuß von etwa 300 Millionen Mark umgewandelt werden können. Nicht ganz so günstig 
steht die Textilindustrie da, die ihren Ausfuhrüberschuß nur verdoppelt hat. Garne zeigen 
sogar noch eine Mehreinfuhr. Immerhin liefern wir dem Auslande heute für eine Milliarde 
Mark Textilprodukte, der nur eine Einfuhr von 500 Millionen Mark gegenübersteht. Be- 
sonders günstig hat sich die Ausfuhr von Papier und Papierwaren, Leder, Lederwaren, 
Filz- und Nauchwaren entwickelt. Es würde jedoch zu weit führen, darauf im einzelnen 
einzugehen. 
Wohl aber sei den Herkunfts- und Bestimmungsländern des deutschen Außen- 
handels ein Blick zugewendet. Die Vergleichsbasis ist hier freilich erst seit dem Zahre 
1889 gegeben. Der Außenhandel verteilte sich in den Jahren 1889 und 1912 wie folgt.: 
  
  
  
  
  
1889 1912 
Einfuhr Ausfuhr Einfuhr Ausfuhr 
Erdteil in Prozent in Prozent in Prozent in Prozent 
Total in Total i Total i Total i 
Min. Marr berflan= min. Morr der samt Min.-More deresfamt= min. Marr · 
1. Euroaa 3239,9 79.5 2 509, 7 77.1 6 008,0 56, 2 6743,6 75.4 
2. Africa 39.6 ·.9 22,1 0.7 478.6 4,5 185,3 2,1 
3. Asien. .... 128,2 3,# 84.3 2,6 1 006, 9.•4 420,2 4,8 
4. Ameriia 634,4 15,6 613,6 18,9 2885,4 27,0 1 496,4 16,7 
5. Australasien und 
Polpne#sien 35,1 ·0,9 23,5 0.7 304,2 2,9 99,9 1,0 
2-5 zusammen. . 368363 20,5 743,5 22,99 14674,—51 438 22018 424,6 
  
  
  
  
  
  
Die Zahlen sind in mancherlei Beziehung bedeutsam. An der Spitze steht in beiden 
Jahren Europa. Das Verhältnis zwischen ihm und den andern Erdteilen hat sich aber doch 
sehr verschoben. Der Anteil Europas am deutschen Außenhandel betrug in der Einfuhr 
1889 79,5 %, im Jahre 1912 aber nur 56,2%1 An der Ausfuhr war Europa 1889 mit 
77,1 % beteiligt, im Zahre 1912 mit 75,4% . In diesen Zahlen prägt sich der vermehrte 
Bezug von Nahrungs- und Genußmitteln und Rohstoffen deutlich aus. Man muß sich 
vergegenwärtigen, was es für die Erweiterung der weltwirtschaftlichen Beziehungen 
Deutschlands heißt, daß in dem kurzen Zeitraum von 23 Zahren sein Bezug aus dem 
nichteuropäischen Ausland von 20 auf 45 % der gesamten Einfuhr gestiegen ist! Der 
europäische Absatz Deutschlands beruht jelänger desto mehr auf außereuro- 
päischer Einfuhr. 
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