Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
VI. Buch. Binnenhandel. 267 
  
schiedenheiteen zutage gefördert haben. Diese schrumpfen im modernen Staat immer 
mehr zusammen, die Lebensbedingungen, unter denen die beiden Gattungen des Handels 
sich entfalten, werden die gleichen, die Wechselwirkung zwischen ihnen gewinnt dauernd 
an Innigkeit. Ein blühender Außenhandel geht regelmäßig mit einem blühenden Binnen- 
handel Hand in Hand; Störungen, die widrige Verhältnisse, insbesondere mencchliche 
Unvernunft, dem einen bereiten, lassen den anderen nicht unberührt. Weder ist der Außen- 
handel vornehmer oder produktiver als der Binnenhandel, noch ist er weniger patriotisch 
als dieser. Alle solche Vorstellungen, denen man in den Kundgebungen verflossener Zeiten 
vielfach, aber auch heute noch hin und wieder begegnet, halten vor der Erfahrung nicht stand. 
In einer Beziehung nimmt allerdings der Außenhandel eine bevorzugte Stellung 
ein, die scheinbar nur theoretische Bedeutung hat, in Wirklichkeit aber von praktischem 
Wert ist. Er ist statistisch zu erfassen, ein Umstand, der sowohl dem Privatmann nütz- 
liche Winke für Bezugs- und Absatzmöglichkeiten gibt als auch den Staatsmann bei wirt- 
schaftspolitischen Vorschlägen vor der Gefahr irrtümlicher Boraussetzungen behütet. Ma#- 
braucht nicht gläubig auf die amtliche Statistik zu schwören und wird doch ohne weiteres 
zugeben müssen, daß die Beurteilung der Verhältnisse des Außenhandels dank der An- 
schreibungen der Reichsstatistik unvergleichlich leichter und sicherer ist als die Beurteilung 
der Verhältnisse des Binnenhandels, die in jungfräulicher Reinheit noch des Statistikers 
harren. Es zeigt sich hier wieder einmal die merkwürdige Erscheinung, daß wir fast immer 
über Vorgänge, die in unserer Nähe sich abspielen, am mangelhaftesten unterrichtet sind, 
daß wir, wie jemand treffend bemerkt hat, beispielsweis über den Umlauf der Sterne, die 
in endlosen Weiten sich befinden, mehr wissen als über den Umlauf des Geldes, das wir 
in den Fingern fühlen. Der dem alltäglichen Tun und Treiben nahe Binnenhandel 
ist in dichteren Nebel gehüllt als der Außenhandel, mit dem doch die große Menge der 
Menschen weder persönliche noch örtliche Fühlung hat. 
Den Umfang des Binnenhandels zu schätzen, ist deshalb eine Aufgabe, an deren 
Lösung man nur mit den erheblichsten Vorbehalten gehen kann. Zahlenmäßige Nachweise 
gibt es zwar über einen großen Teil des Binnenverkehrs, aber dieser ist nicht gleich- 
bedeutend mit dem Binnenhandel, denn jener umfaßt auch Gütermengen, die ohne 
Vermittlung des Handels zum Umsatz gelangen. 
Die beiden Hauptverkehrswege, die für den Handel Betracht kommen, 
sind Bahn und Fluß; ihr Ubergewicht über die gewöhnliche Landstraße wächst, je 
mehr das Schienennetz sich ausdehnt, je leistungsfähiger die Ströme und Kanäle gestaltet 
werden. Man wird darum in den Zahlen des Warenverkehrs, der durch Bahn und Schiff 
besorgt wird, den geeigneten Anhalt für den Warenverkehr überhaupt finden dürfen. 
Die Statistik für das Zahr 1911 gibt folgenden Aufschluß: 
Menge der beförderten Güter in Tonnen (zu 1000 kg); 
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ul hen Fienk unsscden #n8gesom 
im Inlandsverkhenrnrnr 367 000 O0CO00 44000 000 4411 000 C00 
im Verkehr von und nach dem Auslande 60 000 O0o00 37000 000 97 000 000 
Summa: 427 000 000 81 000 ooo 508 000 000 
  
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