Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
VI. Buch. Binnenhandel. 273 
  
des Deutschen Reiches nur um etwa 30% . Es will dies besagen, daß der Kreis der Kunden, 
die vom Handelsgewerbe bedient werden, pro Kopf des in diesem Gewerbe beschäftigten 
Personals von 50 auf etwa 30 sank. 
Eine Untersuchung darüber, ob in solcher Wandlung die Anzeichen einer überfüllung 
des Handelsgewerbes zu erblicken sei, ist wohl angebracht. Die Tatsache, daß das Handels- 
gewerbe heute verhältnismäßig mehr Köpfe zu ernähren hat als vor einem Menschenalter, 
ist nach obiger Statiftik nicht abzustreiten. Es fragt sich nur, ob nicht die Vermehrung der 
Kopfzahl eine notwendige Folge der Erweiterung des Aufgabenkreises des 
Handelsgewerbes gewesen ist. 
Für die Beantwortung dieser Frage ist folgendes von Wichtigkeit. Die Zahl der 
Betriebe betrug im Handelsgewerbe: 
i. J. 1882..wmm mg m....... 482 125 
„ 189..2à2 578 497 
„ 100777700 667 238 
Die Steigerung stellte sich darnach in den letzten 25 Jahren auf 379% und ging nur 
um ein Geringes über den Prozentsatz der Volksvermehrung hinaus. Man kommt ange- 
sichts dessen zu dem Ergebnis, daß, wenn der Maßstab des Berölkerungsstandes zugrunde 
gelegt wird, die Zahl der Neuetablierungen im Kaufmannsstande während des erwähnten 
Zeitraumes im allgemeinen normal geblieben ist. Dagegen hat sich in diesen Beruf ein 
breiter, stets wachsender Strom von Handlungsgehilfen und Arbeitern ergossen. 
Es wurden im Handelsgewerbe beschäftigt: 
Angestellte Arbeiter 
i. J. 1882. .......... 74 446 283 698 
„18958. .......... 141 399 485 238 
EIIEEIIEEE 268 386 804 286 
Man hat es also mit Steigerungen zu tun, die über 200% hinaus schwanken. 
Aus diesen Aufstellungen geht hervor, daß zugleich mit der normalen Vermehrung 
der kaufmännischen Betriebe die Ausstattung dieser Betriebe mit kaufmännischem Per- 
sonal in überaus starkem Umfange erfolgte. Hier stößt man auf einen Gegensatg zur In- 
dustrie. IZn der Industrie ist ebenfalls die Zahl der Angestellten und Arbeiter mächtig 
angeschwollen — sie stieg in den letzten 25 Jahren auf reichlich das Doppelte —, aber 
Hand in Hand mit der Vermehrung vollzog sich eine Konzentration innerhalb der in- 
dustriellen Gewerbe, die dahin führte, daß die Zahl der Betriebe sich um 10% ver- 
minderte. 
Das gewaltige Heer neuer Arbeitskräfte konnte in der Industrie trotz der Aus- 
schaltung einer erheblichen Reihe von Betrieben Unterkunft finden, weil der Typ der 
großen Unternehmung vorherrschend wurde. Auch im Handelsgewerbe war die 
Tendenz zum Großbetrieb zu beobachten; zahlreichen Spezialgeschäften gelang es, ihren 
Absatz weit über die früheren Grenzen auszudehnen, und neben ihnen entstanden die 
Riesenbetriebe der Warenhäuser. Diese Großunternehmungen waren imstande, einen 
beträchtlichemn Teil der Arbeitskräfte, die sich den kaufmännischen Betrieben zur Verfügung 
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