280 Binnenhandel. VI. Buch.
nisse zwei Forderungen berechtigt: daß erstens jeder Kleinhandelsbetrieb, in welcher Form
er auch stattfindet, den gleichen öffentlichen Verpflichtungen steuerlicher, sozlaler usw.
Art unterstellt werde wie der gewerbsmäßige Detailhandel und daß zweitens dem ge-
meinsamen Bezuge von Waren keine behördlichen Begünstigungen irgendwelcher Art
(Benützung von amtlichen Räumlichkeiten, Handelsbetrieb während der Amtsstunden
usw.) gewährt werden.
Staate- und Selbsthilfe. Nach alledem ist es verständlich, daß die Detaillisten
in dem Wettbewerbe der Warenhäuser und Kon-
sumvereine eine empfindliche Bedrängnis erblicken und eifrig nach Mitteln suchen, um
ihrer Herr zu werden. Die Unterstützung des Staates darf diesen Bestrebungen nicht
feblen, aber man wird dessen eingedenk bleiben müssen, daß in der Gestaltung, die der
moderne Handelsverkehr angenommen hat, der staatliche Einfluß, der auf positive
Hilfe hinausläuft, wenig NRaum hat. Das Lebensprinzip aller Handelstätigkeit ist die
Freiheit der Bewegung; wer davon den Blick ablenkt und fremden Einflüssen sich anver-
trauen will, verläßt das Erdreich, in dem der Handel wurzelt. Je mehr der Detaillisten-
stand die Selbsthilfe betont, um so mehr hat er andererseits das KRecht, gegen wirkliche
Mißstände, die zu beheben die eigene Kraft nicht ausreicht, die Hilfe des Staates anzu-
rufen. Aber hier ist der Punkt, an dem nicht selten im Kampfe um angebliche Interessen
die Ubertreibung einsetzt, die mit dem Schlagwort des Rückganges oder gar Unterganges
des mittleren Handels operiert. Es sei des Beispiels halber nur darauf hingewiesen, daß
in dem an die Wand gemalten Todeskampfe des Mittelstandes selbst der Hausierhandel
eine Rolle zugewiesen erhält, während die nackten Tatsachen ihn in bescheidenen Hinter-
grund drücken. In Preußen betrug nämlich der Gesamtbetrag der Steuer vom Gewerbe-
betrieb im Umherziehen im Zahre:
1900/190041„ ½ .. 2,9 Millionen Mark
1902/%% 112 .... 50
1905/06%% 8 abwechsend . 2 und 30 „
190000000909090999g — »
1910.................. Z,2,, »
1911.................. 3,Z,, »
Die Stagnation des Hausierhandels, die Tatsache, daß er eine im allgemeinen über-
wundene Form des Kleinhandels darstellt, kann nicht besser gekennzeichnet werden als
durch diese Zifferreihe.
Wenn alle Fortschritte, die der Binnen-
handel im Laufe der letzten Jahrzehnte er-
zielt hat, nicht haben verhindern können, daß aus den Reihen derer, die in ihm ihr Brot
finden, Klagen über wachsende Erwerbsschwierigkeiten ertönt sind und täglich weiter er-
tönen, so ist dies zu einem wesentlichen Teil auf die Umwälzungen zurückzuführen, die
in der betreffenden Zeit auf dem Gesamtgebiet des wirtschaftlichen Lebens eingetreten
Amwälzungen im Binnenhandel.
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