Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
292 " Bankwesen. VI. Buch. 
  
bewegung, die sich im Wirtschaftsleben aller BVölker geltend gemacht hat und sich im 
Handel und in der Industrie in verschiedenen Formen zeigt. Freilich ist diese Konzen- 
trationsbewegung wohl nirgends mit der Intensität und Schnelligkeit aufgetreten wie 
im deutschen Bankwesen, und sie hat der Entwicklung geradezu die charakteristische 
Note gegeben, zumal ohne diese Konzentration die deutschen Banken wohl kaum in der 
Lage gewesen wären, den Anforderungen eines völlig veränderten Erwerbslebens ge- 
recht zu werden. Die Ursachen, die zu dieser Konzentration führten und die Wege, die 
sie einschlug, waren in den verschiedenen Ländern verschieden; die Wirkung war überall 
gleich. Durch die gewaltigen Bevölkerungsverschiebungen und die Zusammendrängung 
der Massen in den Städten werden enorme Kapitalien für die Unterbringung und 
Ernährung dieser Massen erforderlich; das Prinzip der Konzentration macht sich aus 
wirtschaftlichen und technischen Notwendigkeiten heraus überall geltend und führt 
zu einer Verbesserung der Technik, der technischen Methoden und zu einer Vereinheit- 
lichung der Betriebe. Im Bankwesen speziell erforderten die so unendlich gesteigerten 
Ansprüche eine ganz wesentliche Vermehrung der Kapitalien; der im regelmäßigen 
Verlauf der Dinge gesteigerte Umlauf der Barmittel genügte nicht, und es mußten 
sich zur Finanzierung der gewaltigen Unternehmungen die bis dahin getrennt mar- 
schierenden Kapitalkräfte zusammenschließen. Erleichtert wurde diese Konzentration 
durch das wirtschaftliche Institut der Aktie, die eine Zusammenfassung getrennter 
Kapitalien ohnehin wesentlich erleichtert und in vielen Fällen erst ermöglicht. Zu- 
nächst schritt man überall zu einer Erhöhung der eigenen Mittel, die man sich durch 
Vermehrung des Aktienkapitals zu verschaffen bemüht war; aber diese Art der Geld- 
beschaffung findet ihre natürliche Grenze an den Kursen; überhaupt lassen Rücksichten 
auf Rentabilität und Höhe der Dividende eine Vermehrung des Aktienkapitals immer 
nur bis zu einem bestimmten Grade zu. Hier setzte die Konzentrationsbewegung 
ein, indem, abgesehen von einzelnen Zusammenschlüssen, jedes Institut bemüht war, 
fremdes Kapital zu seinen wachsenden geschäftlichen Zwecken heranzuziehen. Man be- 
gann die Tätigkeit der Bank durch Schaffung von Depositenkassen und Filialen inten- 
siver zu machen und suchte andrerseits die Fähigkeit, die emittierten Werte dauernd bei 
der Kundschaft unterzubringen, gerade durch die Ausdehnung dieser Klientel zu stärken. 
So wuchs wiederum mit der Vermehrung der Emissionstätigkeit das Konzentrations- 
bedürfnis der Banken. Am allermeisten mußte sich diese Bewegung in der Reichshaupt-- 
stadt bewähren, wo eine besonders starke Börse die Voraussetzung erfolgreicher Emissions- 
tätigkeit war; und das hatte wiederum die Folge, daß die großen internationalen Emis- 
sionen mit Vorliebe den Berliner Markt aufsuchten, weil die dortigen Emissionsbanken 
ihren Ruf als solche schon genügend bewährt hatten. Es lag in der Natur der Sache, 
daß auch das sonstige laufende Geschäft der Banken, sowohl der Akzeptverkehr wie das 
Wechselgeschäft mit dieser Konzentration in engem Zusammenhang stand, da das 
Wechselgeschäft sich wesentlich auf kommerzielle Beziehungen der Bank stützt. Auch die ver- 
feinerten Methoden des Kreditwesens, die verbesserte Technik im Scheck-Abrechnungs- 
und Giroverkehr mußte die Konzentrationsbewegung fördern, je umfangreicher die 
Geschäftsbeziehungen und je zahlreicher die Klientel der Bank wurde. Besonders unter- 
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