Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
300 « Bankwesen. VI. Buch. 
  
und daß ihre Barmittel 32/. ihrer Depositen betragen. Bei 62 Banken mit einem 
Aktienkapital von 300 000 M. bis 1 Million M. stellt sich das Verhältnis so, daß 
die Depositen und Spareinlagen das Oreieindrittelfache des Kapitals und der Reser- 
ven ausmachen, und daß die Barmittel etwa 9½% der Depositen darstellen. Bei 45 
Banken dagegen von größerer Bedeutung ist das Verhältnis ein wesentlich anderes; 
bier betragen die Barmittel 30 % der Depositen, und letztere übersteigen nicht etwa, 
wie bei den kleinen Banken, das Kapital um ein Bielfaches, sondern stellen nur 66 % des 
verantwortlichen Kapitals dar. Es ist deshalb mit Recht gefordert worden, daß gerade 
die kleinen Banken nicht nur von der Reichsbank, sondern auch von den größeren und 
großen Banken dauernd kontrolliert werben, und daß so versucht werden soll, in er- 
zieherischem Sinne auf sie einzuwirken. Es liegt im IZnteresse der Reichsbank sowohl 
als der privaten Großbanken, daß auch bei den lleinen und kleinsten Bankinstituten 
Zusammenbrüche vermieden werden; denn jeder solche Vorfall wirkt höchst beunruhigend 
und schädigend und kann leicht, zunächst in lokalen Kreisen, Paniken und Runs hervor- 
rufen, deren Folgen für das Geschäftsleben manchmal verhängnisvoll sind. Es ist 
deshalb auch nur zu begrüßen, daß bei einzelnen drohenden Zusammenbrüchen in den 
letzten JLahren sich die Großbanken wenigstens zu teilweiser Befriedigung der lleinen 
ODepositengläubiger zusammengeschlossen haben. Und man hat gerade aus dem Kreise 
der Hautebanque heraus wiederholt der Reichsbank eine möglichst strenge Prüfung 
des von den Banken eingereichten Wechselmaterials dringend empfohlen, was doch 
beweist, daß die Bankwelt die Kontrolle eines berufenen, sachkundigen, mitten 
im Wirtschaftsleben stehenden Organse, wie die Reichsbank, nicht nur zurück- 
weist, sondern sogar lebhaft wünscht. 
Uberhaupt aber ist die Entwicklung unseres Bank- 
wesens mit der Institution der Reichsbank 
eng verknüpft, und man vermag schwer in das Innere des Bankwesens einzudringen 
ohne eine genauere Kenntnis der Natur unseres Zentralinstituts. Denn ein besonders 
wichtiger Zweig des Bankgeschäftes ist und bleibt die Wechseldiskontierung, und alles, 
was direkt oder indirekt mit dem Diskontgeschäft und der Diskontpolitik zusammen- 
hängt, führt wiederum unmittelbar zur Reichsbank. Wir hatten oben die Organi- 
sation des englischen und französischen Zentralnoteninstituts kurz beleuchtet und gesehen, 
daß die deutsche Reichsbank ungefähr zwischen beiden steht. Bei ihr braucht nur ein 
Drittel der Noten in bar gedeckt zu sein, womit sie sich mehr dem französischen System 
nähert. Gerade in Zeiten starker Anspannung kann sich das Znstitut mit einer geringeren 
als der üblichen Notendeckung begnügen und die Zahlungsmittel nach Bedarf ver- 
mehren, aber — und bier nähert sie sich wieber mehr dem englischen Currency-Prinzip — 
sie muß eine Notensteuer an das Reich abführen, sobald die ungedeckten Noten eine be- 
stimmte, ein für allemal festgesetzte Summe überschreiten. Hierdurch soll die Reichsbank 
gezwungen werden, den Diskont zu erhöhen, wenn die Anspannung eine bestimmte 
EGrenze überschreitet, da sie anderenfalls mit positivem Verlust arbeiten müßte. Nun 
sind natürlich diese Vorschriften der Bankverfassung für die Diskontpolitik der Reichs- 
Diskontgeschäft. Reichsbank. 
  
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