Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
VI. Buch. Versicherungswesen. 325 
  
annähernd die Ehrungen zu erweisen, die man beispielsweise den Vertretern des Bank- 
wesens in oft nur zu reichem Maße zu zollen sich gewöhnt hat. Aber um so bereitwilliger 
pflegt man auch heute noch alles heftig zu tadeln, was in den zahlreichen Riesenbetrieben 
der Privatversicherung sich einmal nicht ganz einwandfrei abspielt. 
Aufblühen der Versicherungs- Zu einer Höhe, wie sie vorher unbekannt war, ist 
wifsenschaft. auch die wissenschaftliche Betätigung auf 
dem Gebiete der Versicherung gelangt. Deutsch- 
land hat einen Verein für Versicherunges-Wissenschaft 1899 erhalten, nachdem vorher das 
erste Seminar für Versicherungs-Wissenschaft an der Universität Göttingen 1895 errichtet 
worden war. Andere Universitäten sind inzwischen gefolgt, vor allem aber haben die 
Handelshochschulen ausnahmslos es sich angelegen sein lassen, Lehrstühle für Ver- 
sicherungswissenschaft einzurichten und so das Wissen von der Versicherung mehr als bis- 
her in den Stand der Kaufleute und FIndustriellen zu bringen. 
Aber nicht nur auf den höchsten Bildungsstätten hat man in den letzten Zahren oder 
Jahrzehnten der Versicherungslehre einen Platz eingeräumt, sondern auch bis herunter 
in die Elementarschulen hat man die Kenntnisse von der Versicherung, wenn auch nur 
gelegentlich und in engen Grenzen zu verbreiten gesucht. Innerhalb des Standes der 
Versicherungsbeamten haben sich erfreuliche Bestrebungen geltend gemacht, eine geord- 
nete spstematische Vorbildung zu schaffen. Neben Vortragszyklen hat man Fach- und 
Fortbildungsklassen für Versicherungelehrlinge errichtet, hat auch für Fortgeschrittene 
neuerdings Ausbilbungskurse verschiedenen Ortes geschaffen. 
  
  
Organisation der Versicher ungs- Eine internationale Organisation besitzt 
wiffenschaft. — die Versicherungswissenschaft in den 
Kongressen, die mit besonderer Berück- 
sichtigung der am weitesten fortgeschrittenen Lebensversicherungstechnik alle 3 Zahre statt- 
finden. Einer dieser Kongresse hat 1906 in Berlin getagt. Es darf mit Genugtuung 
festgestellt werden, daß die deutsche Wissenschaft diese Kongresse nicht unerheblich beein- 
flußt hat und die Reden wie Schriften hervorragender deutscher Versicherungspraktiker, 
soweit sie gleichzeitig die Theorie beherrschen und wissenschaftliche Interessen bekunden, 
im Ausland den besten Klang haben. 
In ungeahntem Maße gewachsen ist in der hier zur Betrachtung stehenden Zeit die 
Versicherungsliteratur. Während früher das Erscheinen von Versicherungsschriften 
zu den seltenen Ausnahmen zählte, weist der deutsche Büchermarkt jetzt eine sehr statt- 
liche Zahl einschlägiger Werke dauernd unter der Zahl der Neuerscheinungen auf. Die 
verschiedensten Gebiete der Versicherungspraxis wie Theorie werden hier erörtert. 
Neben wirtschaftlichen und juristischen Büchern finden wir medizinische, mathematische 
und technische Werke; neben Monographien Sammelwerke, neben kleinen volkstüm- 
lichen Schriften wissenschaftliche Werke, die naturgemäß von verschiedenem Wert, in 
ihrer Gesamtheit doch an Quantität wie am Qualität von der Versicherungeliteratur in 
irgendeiner anderen Sprache nicht übertroffen werden dürften. 
  
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