VI. Buch. Handwerk. 341
verbände sowie für festliche Veranstaltungen in die Augen. Die Handwerkskammern
haben ihrer Aufgabe gerecht zu werden gesucht, obwohl ihre eigenartige Doppelstellung
— einerseits haben sie Selbstverwaltung, anderseits stehen sie unter Aufsicht der staat-
lichen Behörde und sind in ihren Maßnahmen beschränkt — erschwerend wirkt. Natur-
gemäß war ihre Tätigkeit in dem ersten Zahrzehnt vorherrschend eine organisatorische.
In den letzten Jahren aber haben sie den Kreis ihrer Wirksamkeit weiter gezogen und
sind vielfach zielbewußt bestrebt gewesen, dem Handwerk eine tatkräftige praktische Unter-
stützung angedeihen zu lassen. Hierher gehören der weitere Ausbau der Meisterkurse,
der Arbeitsnachweise und der Lehrstellenvermittlung, die Anregung zur Bildung von
Genossenschaften, z. B. durch Instruktionskurse, die Gründung von Sterbekassen, die
Errichtung von Handwerksämtern (die eine Rechtsauskunftsstelle sein sollen, Forde-
rungen eintreiben, vor Gericht vertreten, Innungskrankenkassen verwalten usw.), die
Einrichtung von technischen Auskunftsstellen mit Zeichenbureaus, von Beratungsstellen
für Bauhandwerker, die Gründung von Fachbibliotheken, die Sammlung von Lehrlings-
arbeiten zwecks Darstellung des Bildungsganges, von Gesellen- und Meisterstücken, die
Verbesserung des Submissionswesens durch Errichtung von Verdingungsämtern, von
Preisberechnungsstellen und durch andere Maßnahmen (z. B. hat die Handwerkskammer
Wiesbaden 27 Stadtgemeinden zur Einführung der Streikklausel in die Verdingungs-
verträge veranlaßt) usw. So sollen die Handwerkskammern nach jeder Seite hin auf-
klären und aufrütteln zur Erfassung der Handwerksinteressen — ein fruchtbares Arbeits-
feld mit weitgesteckten Grenzen! —
Das Handwerkergesetz Die Handwerker sahen das Gesetz vom 26. Juli 1897 von
vornherein nur als einen Kompromiß anz brachte
es ihnen doch nur die teilweise Erfüllung ihrer vorge-
tragenen Wünsche, indem die allgemeine Zwangsinnung und der Befähigungsnachweis
nicht verwirklicht wurden. Besonders auf den Handwerks- und Gewerbekammertagen
beschäftigte man sich bald lebhaft mit der Einführung des Befähigungsnachweises; der
Allgemeine Deutsche Innungstag zu Gotha (1901) forderte, „daß das selbständige
Handwerk nur von denen ausgeübt werden dürfe, die den Nachweis der Befähigung
für ihr Gewerbe erbracht haben“, und auch der Allgemeine Handwerkerkongreß zu Düssel-
dorf (1902) faßte fast einstimmig eine Resolution zugunsten der beiden obengenannten
Forderungen. Auf dem S. Oeutschen Handwerks- und Gewerbekammertag wurde,
da die Meinungen sich spalteten, eine Kommission von 7 Handwerkskammern eingesetzt
mit der Aufgabe, der nächsten Tagung einen Entwurf zur Einführung des allgemeinen
Befähigungsnachweises vorzulegen. Der 6. Handwerks- und Gewerbekammertag brachte
den Entwurf zur Beratung. Die Regierung — vertreten durch Geh. Oberregierungsrat
Dr. v. Seefeld — beharrte bei ihrem ablehnenden Standpunkt, den sie schon in den Moti-
ven zum früher besprochenen Gesetzentwurf des preußischen Ministeriums für Handel
und Gewerbe dahin gekennzeichnet hatte: „Der namentlich von dem organisierten Hand-
werk unterstützten, aber selbst in den Kreisen der Beteiligten strittigen Forderung der
Wiedereinführung des Befähigungsnachweises in dem Sinne, daß dieser allgemein
nur ein Kompromiß.
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