Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
VI. Buch. Handwerk. 343 
  
Lehrherrn durch Krankheit usw. Der Bundesrat ist befugt, für einzelne Gewerbe Aus- 
nahmen von diesen strengen Bestimmungen zuzulassen. Auch den Meiistertitel in 
Verbindung mit der Bezeichnung eines Handwerks dürfen nach dem Gesetze vom 30. Mai 
1908 nur noch solche Handwerker führen, die für dieses Handwerk die Meisterprüfung 
bestanden und das 24. Lebensjahr zurückgelegt haben. Für die Ubergangezeit ist er- 
gänzend bestimmt: „Die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes schon erworbene Befugnis 
zur Führung des Meistertitels in Verbindung mit der Bezeichnung eines Handwerks 
bleibt unberührt.“ Diese Bestimmung gilt zugunsten der Handwerker, auf die die Über- 
gangsbestimmung des Gesetzes vom 26. Juli 1897 zutraf (vgl. oben S. 337). Wer ohne 
Befugnis den MWeistertitel im Handwerk führt, kannbestraft werden. Zur Meisterprüfung 
sind in der Regel nur solche Personen zuzulassen, die eine Gesellenprüfung bestanden 
bhaben und in dem Gewerbe, für das sie die Meisterprüfung ablegen wollen, mindestens 
3 Jahre als Geselle tätig gewesen sind. Ferner ist bestimmt, daß während der ersten 
5 ZLahre nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes, also bis zum 1. Oktober 1913, die Zu- 
lassung zur Meisterprüfung von dem Bestehen der Gesellenprüfung nicht abhängig ge- 
macht werden darf. Das gleiche gilt auch nach Ablauf dieser 5 Jahre für Personen, 
die am 1. Oktober 1908 zur Anleitung von Lehrlingen befugt waren. Die Prüfung hat 
den Nachweis der Befähigung zur selbständigen Ausführung und Kostenberechnung 
der gewöhnlichen Arbeiten des Gewerbes sowie der zu dessen selbständigem Betriebe 
sonst notwendigen Kenntnisse, insbesondere auch der Buch- und Rechnungsführung, 
szu erbringen. Eine von der Handwerkskammer zu erlassende Prüfungsordnung regelt 
das Verfahren bei der Prüfung. — 
Damit sind wir bei dem gesetzlichen Stande angelangt, den die Reichsgewerbe- 
ordnung bis heute hat. Aber noch wogt der Kampf der Meinungen über ihre zweck- 
mäßigste Gestaltung im IZnteresse des Handwerks auf und ab und wird in absehbarer 
Zeit auch nicht aufhören. Aufgabe der Handwerker ist es, vor allem zunächst die Vor- 
teile der Handwerkergesetzgebung auszunutzen, indem sie das Innungswesen durch Er- 
richtung möglichst vieler leistungsfähiger Innungen weiter beleben, die Tätigkeit der 
Handwerkskammern unterstützen und sich durch Ablegung der Meisterprüfung als voll- 
wertige Handwerker erweisen. — 
Es ist noch eine Reihe von gesetz- 
geberischen Maßnahmen zu erwähnen, 
die in den letzten 25 Jahren getroffen worden sind und im Interessenkreise des 
Handwerks liegen. 
Andere gesetzgeberische Maßnahmen. 
  
Die Reichsgewerbeordnungstelltden Grundsatz 
des freien Arbeitsvertrages zwischen den selb- 
ständigen Gewerbetreibenden und den gewerblichen A#rbeitern auf, unterwirft ihn 
aber in vielen Punkten einer Beschränkung, wie Verbot der Sonntagsarbeit, Aus- 
rüstung der minderjährigen Arbeiter mit einem Arbeitsbuche usw. Sie hat auch be- 
Reichsgewerbeordnung u. a. 
  
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