Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
VI. Buch. Handwerk. 34 
  
sondere Bestimmungen durch landesherrliche Verordnungen für einzelne Gegenden vor, 
die den Baugläubigern eine dingliche Sicherheit (Bauhypothek) für ihre Forderungen 
verschaffen sollen; es sind dann sog. Bauschöffenämter einzurichten. Bis jetzt ist aller- 
dings die Einführung dieses 2. Teiles noch nirgends erreicht; aber die KRegierung hat 
1912 eine Erhebung über den Bauschwindel angestellt, was vermuten läßt, daß man der 
Einführung näher treten will, vielleicht in der Form, daß der 2. Teil in den Städten, 
in denen Bauschwindel festgestellt ist, etwa auf die Dauer von 10 Jahren gelten soll. 
Manche Handwerke litten auch unter den Geschäfts- 
praktiken der Abzahlungsbazare und Warenkredithäuser. 
Ein besonderes Gesetz betr. die Abzahlungsgeschäfte von 1894 bietet durch 
seine strengen Bestimmungen nicht nur dem Publikum einen gewissen Schutz vor 
Ubervorteilungen, sondern schiebt auch der unlauteren Konkurrenz einen Riegel 
vor. — Auf diesem Gebiete bewegt sich auch die Gesetzgebung im Interesse des 
gewerblichen Rechtsschutzes. Das Patentgesetz von 1891 brachte eine zeitgemäße 
Umgestaltung der bisherigen Vorschriften zum Schutze des geistigen Eigentums, 1891 
folgte das Gebrauchsmuster-Schutzggesetz, wodurch Modelle von Alrbeitsgerät- 
schaften oder Gebrauchsgegenständen oder deren Teilen, insoweit sie dem Arbeits- oder 
Gebrauchszweck durch eine neue Gestaltung, Anordnung oder Vorrichtung dienen sollen, 
geschützt werden; ferner dient das Gesetz zum Schutze der Warenbezeichnungen 
(1894) dem gewerblichen Berkehr. Hier sind auch zu nennen das Gesetg betr. den 
Schutz von Erfindungen, Mustern und Warenzeichen auf Ausstellungen 
(1904) und das Gesetz betr. das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste 
und der Photographie (1907), Kunstschutzgesetz genannt; seit 1. Mai 1903 ist Deutsch-- 
land auch Mitglied der internationalen Patentunion, die den Schutz des Erfinder- 
rechts international regelt. — Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 
1896 in Kraft getreten, hat besonders in seiner letzten Fassung von 1909 für das ganze 
Geschäfts- und Erwerbsleben eine tiefeingreifende Bedeutung, da es die Wettbewerbs- 
handlungen des gesamten geschäftlichen Berkehrs umfaßt. Es soll dadurch dem ehrlichen, 
bescheidenen Gewerbetreibenden ein wirksamer Schutz gewährt werden gegen Schliche 
und offene Angriffe unehrenhafter Geschäftsleute. Das Gesetz richtet sich besonders 
gegen Ausschreitungen aller Art im Reklamewesen, gegen Quantitätsverschleierung, 
wie sie beim Kleinverkauf von Waren vorkommt, gegen unwahre, dem Geschäftsbetriebe 
oder dem Kredit von Erwerbsgenossen nachteilige Behauptungen, gegen die auf Täu- 
schung berechnete Benutzung von Namen oder Firmen und gegen den Verrat von Ge- 
schäfts- oder Betriebsgeheimnissen. Besonders wichtig sind die Bestimmungen gegen 
den Reklameunfug, die sich auch gegen die schwindelhafte Ankündigung von Ausver- 
käufen wenden. Bei allen Ausverkäufen (mit Ausnahme von Saison- und Inventur- 
ausverkäufen) muß der Grund angegeben werden, Vor- oder Nachschieben von Waren 
ist verboten, für bestimmte Arten kann Anmeldepflicht und Aufstellung eines Waren- 
verzeichnisses festgesetzt werden. Gerade die Bielseitigkeit in der Gesetzgebung für den 
gewerblichen Rechtsschutz ist ein Gradmesser für die Bedeutung unserer geistigen Arbeit 
Kleinere Reichsgesetze. 
  
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