Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
VI. Buch. Handwerk. 349 
seiner Untersuchung über die Entwicklung des Handwerks in der Zeit von 1895 bis 1907 
veröffentlicht. Danach weisen auf: einen Rückgang von mehr als 5% : die Steinmetzen, 
Töpfer, Goldschmiede, Kupferschmiede, Zinngießer, Uhrmacher, Seifensieder, Seiler, 
Gerber, Böttcher, Kammacher und Schuhmacher; einen Stillstand: die Grobschmiede, 
Buchbinder, Bau- und Möbelschreiner, Bürstenmacher, Kürschner und Hutmacher; 
eine Zunahme von mehr als 5% : die Klempner, Messerschmiede, Nadler, Stellmacher, 
Sattler, Tapezierer, Drechsler, Bäcker und Konditoren, Metzger, Schneider, Handschuh- 
macher, Barbiere, Maurer und Bauunternehmer, Zimmerer, GElaser, Stubenmaler, 
Stukkateure, Dachdecker, Brunnenmacher, Ofensetzer und Schornsteinfeger. In allen 
diesen Gewerben waren im Jahre 1895 insgesamt 3 409 510 Personen beschäftigt, 
im Jahre 1907 dagegen 4 580 638 Personen. Diese Zahl verteilte sich mindestens zur 
Hälfte auf rein handwerksmäßige Betriebe; denn es waren in diesen 39 handwerksmäßigen 
Betrieben beschäftigt in Betrieben bis zu 5 Personen 2 238 817 Personen, in Betrieben 
von 6—50 Personen 1233 101 Personen und in Betrieben von über 50 Personen 1108720 
Personen. Bei den angeführten Handwerksarten waren 1895 im ganzen rund 1 232 000 
Kleinbetriebe von weniger als 5 Personen gezählt worden, 1907 dagegen 1 274 000; 
also keine Abnahme, sondern eine Zunahme! Von Interesse sind in dieser Richtung 
auch die Beantwortungen von Fragebogen, die jüngst von der Zentralstelle für Volks- 
wohlfahrt an Handwerkskammern, Innungen und Gewerbevereine verschickt wurden. 
Sie zeigen zum größten Teil eine hoffnungsfreudige Zuversicht für die Zukunft des Hand- 
werks, das heute den schädigenden Einwirkungen besser gewappnet gegenübersteht als 
früher. So heißt es, daß die guten Erfolge der Handwerkergesetzgebung überall wahr- 
zunehmen seien, es scheine, daß in neuerer Zeit die handwerklichen Erzeugnisse wieder 
beliebter und der Fabrikware vorgezogen würden, einzelne sprechen sogar von einer 
allgemeinen Hebung des Handwerks. Der letzte Jahresbericht der Handwerkskammer 
Düsseldorf stellt für das Berichtsjahr 1912 gegen 2000 Neugründungen von Handwerks- 
betrieben im Kammerbezirk fest. Diese Anzeichen von mutigem Aufraffen kann man 
nur freudig begrüßen. 
So ist das Handwerk noch immer ein bedeutsamer Bestandteil der deutschen Volks- 
wirtschaft; es geht als Betriebsform nicht unter, sondern es wird auf die Position be- 
schränkt, in der es die ihm eigentümlichen Vorzüge am meisten geltend machen kann. 
„Das ist ja schließlich,“ sagt Bücher, „das Resultat aller ernsteren Geschichtsbetrachtung, 
daß kein einmal in das Leben der Menschen eingeführtes Kulturelement verloren geht, 
sondern daß jedes, auch wenn die Uhr seiner Vorherrschaft abgelaufen ist, an bescheide- 
nerer Stelle mitzuwirken fortfährt an dem großen Ziele, an das wir alle glauben, dem 
Ziele, die Menschheit immer vollkommneren Daseinsformen entgegenzuführen.“ 
Staatehilfe. Es ist nun Aufgabe der Regierung, auch in Zukunft das Mög- 
Selbsthilfe. lichste zu tun, um einen gesunden und leistungsfähigen Handwerks- 
stand, der neben der Landwirtschaft zu den wichtigsten Grund- 
lagen des Staates gehört, zu erhalten. Zu dieser Staatshilfe muß jedoch die 
tatkräftige und wagemutige Selbsthilfe des Handwerks kommen, zu der der 
  
  
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