Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
VI. Buch. Die Arbeiter-Sozialpolitik. 373 
  
die Stimmungen und Strömungen im Ruhrrevier. Das Ergebnis der Untersuchung wurde in einer besonderen 
„ODenkschrift“ niedergelegt, die dann die Unterlage für eine besondere Berggesetz-Novelle (1892) bot. 
Es waren die Grundlinien eines neuen sozialpolitischen Kursus, die hier zum 
Ausödruck kamen, und die von der Richtung der bisherigen Führung der Reichsangelegen- 
heiten weit abwichen. Dieser Wendung der Dinge entsprach es, wenn bald Fürst Bismarck 
von der Stellung als preußischer Handelsminister zurücktrat und am 31. Januar 1890 der 
bisherige Kegierungs-Präsident in Düsseldorf, Freiherr von Berlepsch, ihm solgte. 
Februar-Erlasse Kaiser Wilhelms ll. 
Am 25. Januar 1890 war der bisherige Reichstag geschlossen worden. Sein letzter 
Akt war die Ablehnung des Sozialistengesetzes. Die Neuwahlen waren auszgeschrieben 
zum 20. Mai 1890. Da, mitten in den Aufregungen der Wahlkämpfe, erschienen zu 
allgemeinster Uberraschung die Erlasse unseres Kaisers. 
ODer erste Erlaß vom 4. Februar 1890 war an den Reichskanzler gerichtet. Er lautet: 
Ich bin entschlossen, zur Berbesserung der Lage der deutschen Arbeiter die 
Hand zu bieten, soweit die Grenzen es gestatten, welche Meiner Fürsorge 
durch die Notwendigkeit gezogen werden, die deutsche Industrie auf dem 
Weltmarkte konkurrenzfähig zu erhalten und dadurch ihre und der Arbeiter 
Ezistenz zu sichern. Der Rückgang der heimischen Betriebe durch Verlust 
ihres Absatzes im Auslande würde nicht nur die Unternehmer, sondern 
auch ihre Arbeiter brotlos machen. Die in der internationalen Konkurrenz 
begründeten Schwierigkeiten der Verbesserung der Lage unserer Arbeiter 
lassen sich nur durch internationale Verständigung der an der Beherrschung 
des Weltmarktes beteiligten Länder, wenn nicht überwinden, so doch ab- 
schwächen. In der Uberzeugung, daß auch andere Regierungen von dem 
Wunsche beseelt sind, die Bestrebungen einer gemeinsamen Prüfung zu 
unterziehen, über welche die Arbeiter dieser Länder unter sich schon inter- 
nationale Verhandlungen führen, will Ich, daß zunächst in Frankreich, 
England, Belgien und der Schweiz durch Meine dortigen Vertreter amt- 
lich angefragt werde, ob die Regierungen geneigt sind, mit uns in Unter- 
handlungen zu treten behufs einer internationalen Verständigung über 
die Möglichkeit, denjenigen Bedürfnissen und Wünschen der Arbeiter ent- 
gegenzukommen, welche in den Ausständen der letzten JZahre und ander- 
weit zutage getreten sind. Sobald die Zustimmung zu Meiner Anregung 
im Prinzip gewonnen sein wird, beauftrage Ich Sie, die Kabinette aller 
Regierungen, welche an der Arbeiterfrage den gleichen Anteil nehmen, 
zu einer Konferenz behufs Beratung über die einschlägigen Fragen ein- 
zuladen. 
Der zweite Erlaß von demselben Tage wendet sich an den Minister für öffentliche 
Arbeiten und für Handel und Gewerbe: 
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