VI. Buch. Die Arbeiter-Sozialpolitik. 393
zum Schutze der jugendlichen Arbeiter (Kinder und junge Leute) zunächst nur für
Fabriken, Ziegeleien, Bergwerke und Werkstätten mit Dampfbetrieb. Durch die Novelle
von 1891 wurde die Ausdehnung dieser Schutzbestimmungen auf alle Werkstätten
mit elementarer Kraft (Dampf, Wind, Wasser, Gas, Luft, Elektrizität usw.) vor-
gesehen (§5 154). Diese Bestimmungen sind durch die Bundesratsverordnung vom
9. Juli 1900 in Kraft getreten. Durch Bundesratsbeschluß können nach derselben
Novelle (1891) die Schutzbestimmungen auch „auf andere Werkstätten“ ausgedehnt
werden. Von dieser Befugnis hat der Bundesrat für die Werkstätten der Kleider-
und Wäschekonfektion (51. April 1897), die Maßgeschäfte und die Werkstätten, welche
Damen-- und Kinderhüte garnieren (1. 7. 1904) Gebrauch gemacht. — Seit 1908 gelten
alle Betriebe mit 10 Arbeitern als Fabriken.
„Werkstätten, in welchen der Arbeitgeber ausschließlich zu seiner Familie gehörige
Personen beschäftigt“, waren auch nach der Novelle von 1891 von den Vorschriften
des Arbeiterschutzes ausgenommen. Ebenso entbehrten Arbeiter und Arbeiterinnen,
welche allein in ihrem Heim ohne fremde Gehilfen für einen gewerblichen Unternehmer
arbeiteten, jeden Schutzes. In ersterer Beziehung hat das Kinderschutzgesetz vom
30. März 1905 (s. oben S. 385) einen entscheidenden Fortschritt gebracht.
Zunächst ist die Beschäftigung fremder wie eigner Kinder in einer Reihe von Betrieben, die gesundheit-
lich und sittlich bedenklich sind (bei Bauten, in Ziegeleien, Brüchen und Gruben, in Werkstätten mit elemen-
tarer Kraft usw.) verboten. Durch Bundesratsverordnung ist diese Liste untersagter Beschäftigungen noch
wesentlich erweitert. Fremde Kinder unter zwölf Jahren dürfen nicht beschäftigt werden, eigne Kinder
nicht unter zehn Zahren. Die Beschäftigung fremder Kinder darf nicht in der Nachtzeit (8—8 Uhr) und nicht
vor dem Vormittagsunterricht stattfinden. Sie darf nicht länger als drei Stunden (in den Ferien: vier Stun-
den) täglich dauern. Mittags muß eine zweistündige Pause gewährt werden, und nachmittags darf die Be-
schäftigung erst eine Stunde nach beendetem Unterricht beginnen. Diese Beschränkungen gelten auch für die
eignen Kinder, nur fällt die Beschränkung der Arbeitszeit (auf drei Stunden) weg. In der Schulzeit wird
sich aber diese Beschränkung durch die übrigen Bestimmungen schon von selbst ergeben. — Für das Austragen
von Waren und sonstigen Botengängen gelten die Beschränkungen nur dann, wenn sie für Dritte geschehen. —
Die Sonn- und Feiertagsbeschäftigung ist verboten. Nur für Austragen und für Botengänge können die
Kinder bis zu zwei Stunden vor ein Uhr (aber nicht während des Hauptgottesdienstes und einer halben Stunde
vorher) benützt werden. — Im Betriebe von Gast- und Schankwirtschaften dürfen fremde Mädchen zur Be-
dienung der Gäste nicht verwendet werden. (Ourch die Gast- und Schankwirtsschafts-Verordnung ist be-
stimmt, daß auch Mädchen unter 18 Jahren nicht zwischen zehn Uhr abends und sechs Uhr morgens Gäste
bedienen dürfen.)
Durch das Hausarbeiter -Schutzgesetz von 1911 wurde der Schutz auch auf die
Heimarbeiter und Familienbetriebe überhaupt ausgedehnt (s. oben S. 386).
Für das Handelsgewerbe wurde erst durch die Novelle von 1891 die Sonntags-
ruhe gesetzlich eingeführt und dann 1900 wenigstens für offene Verkaufsstellen
eine umfassende Fürsorge bezüglich Arbeitszeit, Betriebsstättenschutz usw. gesichert.
In erster Linie ist die Arbeitszeit wenigstens in der Weise geregelt, daß den Arbeitern, Gehilfen und Lehr-
lingen für jeden Tag eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens zehn Stunden gegeben wer-
den muß (5 139c). Für Geschäfte in Gemeinden mit mehr als 20 000 Einwohnern, die mindestens zwei Ge-
bilfen und Lehrlinge beschäftigen, erhöht sich diese Ruhezeit auf elf Stunden.
Außerdem muß eine angemessene Mittagspause gegeben werden, die für solche Gehilfen und Lehr-
linge, welche außerhalb ihres Geschäftes ihr Mittagsmahl einnehmen, mindestens 1½ Stunden betragen soll.
Endlich ist der Ladenschluß auf spätestens 9 Uhr abends bis morgens 5 Uhr festgesetzt, mit der Maßgabe,
daß auf Antrag von einem Drittel der beteiligten Geschäftsinhaber, falls mindestens zwei Drittel ihre Zustim-
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