Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
VI. Buch. Oie Arbeiter-Sozlalpolitik. 405 
  
in den Niederlanden und der Schweiz, eine ausschließlich freiwillige Unfallversicherung in Belgien, Groß- 
britannien, Schweden und Spanien; eine ausschließlich freiwillige Invaliden- und Altersversicherung in 
Stalien, Finnland, Spanien und Serbien, das ebenfalls eine freiwillige Hinterbliebenenversicherung hat. 
Norwegen, Schweden, Dänemark, Nlederlande, Schweiz und Rußland haben zurzeit noch keine allgemeine 
Invaliden-, Alters- oder Hinterbliebenenversicherung; hier sind aber vielfach Resormbestrebungen auf Ein- 
führung der Zwangsversicherung im Gange. Eine besondere Angestelltenwersicherung haben außer Deutsch-- 
land noch Osterreich und Serbien aufzuweisen. (Vgl. auch Zacher, Die Arbeiterversicherung im Auslande, 
5 Hefte.) 
Gesundheitliche und kulturelle Hebung unseres Volkes. 
Es waren erschütternde Bilder des Raubbaues und rücksichtsloser Ausbeutung der 
menschlichen Arbeitskraft, welche uns Engels (Die Lage der arbeitenden Klassen in Eng- 
land) und Marz (Das Kapital) auf Grund der Enqueten in England aus der Zeit der 
entstehenden Industrie vor die Seele führten. Wenn auch in Deutschland dank der all- 
gemeinen Schulpflicht und einer mehr sozialen Staatsauffassung schon früh den schlimm- 
sten Mißbräuchen der wirtschaftlichen Macht Schranken gesetzt wurden, so drohte doch 
auch bei uns die steigende industrielle Entwickelung, verbunden mit der raschen Konzen- 
tration der Bevölkerung in den Städten und Induftrieorten, eine physische und sittliche 
Degenerierung unseres Volkes herbeizuführen. Dank unserer zielbewußten spstematischen 
Arbeiterversicherungs · und Arbeiterschutzpolitik ist dem wirksam Halt geboten. 
Nackgang der Sterblichkeit. Schon das äußere Bild der Bevölkerung in unsern 
Industriezentren, ihre phopsische und materielle 
Lebenshaltung unterscheidet sich sehr vorteilhaft von dem vor 30 bis 40 Jahren. 
Dieser Eindruck findet Bestätigung in den Sterblichkeitsziffern. Wenn auch die 
Fortschritte der öffentlichen Gesundheitspflege (Kanalisation, Wasserleitung usw.) 
und der steigende wirtschaftliche Wohlstand gewiß bedeutend mitgewirkt haben, so wür- 
den deren Wirkungen doch infolge der wachsenden Industrialisierung, der zunehmenden 
Wohnungsnot usw. wieder wesentlich herabgedrückt sein, wenn nicht die Sozialgesetz- 
gebung den Hebel zum Fortschritt so mächtig verstärkt hätte. So erfreuen wir uns einer 
steigenden Abnahme der Sterblichkeit. 
Auf 1000 Einwohner kamen Gestorbene im DOurchschnittn: 
1831/60 1861/70 1871/80 1881/900 1891/1900 1906 1907 1908 1909 1910 1911 1912 
27,8 28,4 28,8 26,5 23, 19,2 19,0 19,0 18,1 17,1 18,2 16/4 
Oiese gewaltige Steigerung der phpsischen Lebenskraft und Lebensdauer ist aber 
nicht bloß ein GSewinn im Sinne eines Fortschritts der ethischen Kultur und Humanität, 
sondern bedeutet zugleich eine hochbedeutsame Erstarkung unserer wirtschaftlichen Stel- 
lung im Wettbewerb der Völker. Mit Recht hebt der Ministerialrat Dr. Zahn in seinem 
  
  
  
1) Das ungünstige Ergebnis für 1911 hat seine Ursache in der großen Säuglingssterblichkeit infolge der 
langandauernben Sommerdhitze. 
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