Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
408 Oie Arbeiter Sozialpolitik. VI. Buch. 
Während 1896 die Zahl der phosischen Zensiten mit ihren Angehörigen noch nicht drei Zehntel (29,3%) 
der Gesamtbevölkerung betrug, ist sie 1912 auf die Hälfte (51,4%) gestiegen. Bringt man auch die aus beson- 
deren Gründen (wegen Kinderzahl usw.) Befreiten hinzu, so haben 1912 drei Fünftel der Gesamtberölke- 
rung ein Einkommen von mehr als 900 M. 
Diese außerordentliche Steigerung der versteuerten Einkommen ist gewiß zu einem Teil auch auf die 
schärfere Einschätzung (namentlich seit 1907) zurückzuführen, aber dadurch wird das Bild doch nicht wesent- 
lich geändert. 
Der wachsende Volkswohlstand findet seinen Ausdruck in dem gesteigerten Konsum. Der Zahres- 
konsum pro Kopf der Bevölkerung Deutschlands hat sich in dem Zeitraum von 1879 bis 1910 vermehrt: bei 
Brotgetreide um 23,9, Kartoffeln 80, Fleisch #n Sachsen) 46,9, Zucker 185,5, Kaffee, Kakao, Tee um 44, 
Südfrüchte um 300, Salz um 66 %. Noch mehr als bei diesen Nahrungemitteln ist der Zahresverbrauch 
von Zndustriestoffen in die Höhe gegangen. Die Zunahme betrug bei Steinkohlen 120,5, Braunkohlen 227,7, 
Koheisen 203,8, Zink, Blei, Kupfer 225,9, Rohbaumwolle 100, Petroleum 71,8 % („Westf. Bauer“ 1913.) 
Der Arbeiterstand hat an dieser Steigerung des Wohlstandes kräftig teilgenom- 
men. Leider fehlt uns eine irgendwie zuverlässige Lohnstatistik. Nur im Bergbau be- 
steht eine solche. Da betrug der ZJahresdurchschnittslohn unterirdisch beschäftigter Berg- 
arbeiter (Hauer) nach Abzug aller Gefälle, Versicherungsbeiträge usw. im Steinkohlen- 
bergbau des 
Oberbergamts 1886 1907 1910 1911 1912 
Dortmunnd 846 M. 1871 M. 1589 M. 1666 M. 1858 M. 
Oberschlesen 5336 „ 1130 „ 1068 „ 1094 „ 1196 „ 
Saarbezirr 836 „ 1330 „ 1248 „ 1298 „ 1399 „ 
Gewiß sind auch die Kosten der Lebenshaltung erheblich gestiegen, aber jedenfalls bleibt ein starker 
Uberschuß. (Vgl. Zusammenstellung der Verkaufspreise der wichtigsten Lebensmittel bei der Kruppschen 
Konsumanstalt und der Arbeitelshne der Kruppschen Gußstahlfabrik in Essen von 1872—1910 in der Denk- 
schrift des Deutschen Landwirtschaftsrates Über die Lebensmittelteuerung 1911.) 
Trotz aller Lasten der Arbeiterversicherung, trotz der „pureaukratischen“ 
Schranken des Arbeiterschutzes) ist die freudige Initiative und Unternehmungslust 
unserer #rbeitgeber nicht erlahmt, sondern hat Wunder der Entwicklung vollbracht. 
Das gilt für die Zndustrie wie für die Landwirtschaft. Aber auch alle pessimistischen 
Ausblicke bezüglich der lähmenden Einwirkung der Sozialgesetzgebung 
auf den Sparsinn, die eigne Vorsorge und die Schaffenskraft der Arbeiter 
haben sich als falsch erwiesen. 
Sparkassenstatistik. Umgekehrt, die Sparkassenstatistik erweist, wie jetzt, nach- 
dem der Arbeiter sich vor den schlimmsten Schicksalsschlägen 
geschützt weiß und nicht mehr auf die entehrende Armenpflege angewiesen ist, er einen 
Spargroschen um so mehr zu schätzen weiß, der ihm nun auch wirklich als Zuschuß in 
den Tagen der Not und des Alters zugute kommt, während er früher trotz aller Spar- 
samkeit nie sicher war, daß er nicht doch der Armenpflege anheimfiele und dann oft ge- 
nug seine Ersparnisse nur der Armenkasse zugute kamen. In zehn Jahren, von 1900 
bis 1910, ist die Zahl der Sparkassenbücher von 14,8 Millionen auf 21,5 Millionen und 
die Summe der Einlagen von 8838 auf 16 780 Millionen gestiegen. 
  
1) Vgl. Hitze, Zur Würdigung der deutschen Arbeiter-Sozialpolitik. Kritik der Bernhardschen Schrift: 
„Unerwünschte Folgen der Sozialpolitik.“ M. Gladbach, Volksvereinsverlag 1913. 
856
	        
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