Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
54 Die landwirtschaftlichen technischen Gewerbe. VI. Buch. 
Von wesentlicher Bedeutung für die Zuckerindustrie waren auch die Zuckersteuer- 
vergütungen und Prämien, die bei der Auefuhr gezahlt wurden. ODurch das Gesetz vom 
gahre 1892 wurde bestimmt, daß die Zuckersteuer bei der Ausfuhr zuckerhaltiger Er- 
zeugnisse unerhoben bleiben oder zurückvergütet werden sollte. Ebenso wurde die Steuer- 
befreiung des zur Biehfütterung oder für lediglich gewerbliche Zwecke, nicht dem mensch- 
lichen Genuß dienenden Zuckers bestimmt. Zur Hebung der Ausfuhr von Zucker und 
zuckerhaltigen Erzeugnissen wurden außerdem vom 1. Auguft 
1892 ab Ausfuhrprämien gewährt, die indessen durch die 
Brüsseler Konvention vom 5. März 1902 wieder auf- 
gehoben wurden. Der Zweck dieses zunächst zwischen dem 
Deutschen Reich, Österreich-Ungarn, Belgien, Spanien, Frankreich, Großbritannien, 
Stalien, den Niederlanden und Schweden geschlossenen Vertrages war, die Bedingungen 
für den Wettbewerb zwischen dem Rübenzucker und dem RNohrzucker der einzelnen 
Länder auszugleichen und andererseits die Ausdehnung des Zuckerverbrauchs zu fördern. 
Einige andere Staaten traten diesem Vertrage später noch bei, während England in- 
zwischen seine Zugehörigkeit zur Brüsseler Konvention wieder gelöst hat. 
Es läßt sich nicht leugnen, daß die Zuckerindustrie infolge der vielen Anderungen 
in der Zoll- und Steuergesetzgebung seit Einführung der Verbrauchsabgabe im JZahre 
1887 schwierige Zeiten durchzumachen gehabt hat. Daß sie dieser Schwierigkeiten Herr 
geworden ist, darf als ein Zeichen der guten technischen und kaufmännischen Leitung 
der Zuckerfabriken angesehen werden. Und in der Tat hat die Rübenzuckerfabrikation 
in den letzten 25 Jahren auf technischem Gebiet ganz wesentliche Fortschritte ge- 
macht. 
Oie wissenschaftlichen Forschungen auf dem Gebiete der Rübenkultur haben zur 
Züchtung von besonders ertragsreichen und widerstandsfähigen Zuckerrüben geführt. 
Die weiter ausgebildete chemische Analyse ermöglicht eine ständige fachmännische Uber- 
wachung des gesamten Betriebes der Zuckerfabriken. Die Gewinnung des Zuckers aus 
der Rübe geschieht allerdings auch heute noch vorwiegend nach dem schon früher an- 
gewandten ODiffusionsverfahrens, bei welchem die Rüben zerkleinert werden und 
das Auslaugen der Rübenschnitzel durch Wasser in einer Reihe von hintereinander geord- 
neten „Oiffuseuren“ planmäßig vorgenommen wird. An diesen Einrichtungen sowie 
bei der weiteren Reinigung und bei dem Eindampfen des gewonnenen Zuckersaftes 
sind im Laufe der Zeit mancherlei, jedoch nicht grundlegende Veränderungen und Ver- 
besserungen angebracht worden. Dahingegen beruht ein seit etwa 10 Zahren, wenn auch 
nur langsam eingeführtes neues Verfahren, das Steffenssche Brüh- und Preß- 
verfahren, auf einem ganz anderen Grundsatz. 
Hierbei werden die Schnitzel in einem geeigneten Gefäß mit etwa 100° Cheißem 
Rübensaft gemischt und dadurch sehr schnell auf etwa 80°% C erwärmt. Hierbei werden die 
Zellen abgetötet. Die gebrühten Schnitzel werden darauf abgepreßt. Der Preßsaft wird 
wie sonst weiter verarbeitet. Die Schnitzel aber werden getrocknet und entweder ohne 
weitere Behandlung als Steffenssche Zuckerschnitzel oder nach vorheriger Behandlung mit 
Abläufen oder mit Melasse zu Biehfütterungszwecken abgegeben. Der Vorzug dieses 
Ausfuhrprämien. 
  
Brüsseler Konvention. 
  
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