Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
VI. Buch. Berͤͤbau und Huttenwesen. 67 
  
Während Belgien bereits 22 Schächte von über 1000 m Teufe be- 
besitzt, gibt es in Deutschland deren erst 4, aber in kurzem werden 
auch hier sich die Verhältnisse ungünstiger gestalten müssen. Die Kosten derartiger tiefen 
Schächte sind natürlich sehr bedeutend und zugleich erhöhen sich auch die Kosten für die 
Hebung der Bergwerkserzeugnisse, weshalb man diese Förderkosten durch möglichst gute 
Ausnutzung der Schächte und Ersparnisse an Kraftverbrauch zu verringern trachtet. Bei 
der Schachtförderung sucht man eine möglichste Verbilligung der Förderkosten dadurch 
zu erzielen, daß man jeden einzelnen Schacht durch Zuerteilung einer hohen Förderung 
nach Möglichkeit voll ausnützt. Dadurch, daß man den Durchmesser der Schächte bis auf 
6m vergrößert, gelingt es, in jedem Schachte zwei selbständige Fördereinrichtungen unter- 
zubringen und mit einer solchen Doppelschachtanlage die Förderung zu verdoppeln. 
Zugleich sucht man aber auch durch Erhöhung der Fördergeschwindigkeit und Vergröße- 
rung der mit einem Zuge zu hebenden Last die Leistungsfähigkeit der Schächte weiter- 
zusteigern, was natürlich erhebliche Kraftmengen erfordert, so daß bei einer modernen 
Steinkohlenzeche der Kraftbedarf für die Fördermaschinen 30—40% des Energiever- 
brauches der gesamten Bergwerkemaschinen beträgt. 
Der Dampfverbrauch der alten Fördermaschine war noch vor wenigen Jahren sehr 
hoch, er betrug bei Zwillingsmaschinen 40 kg, bei Verbundmaschinen 25—30 kg für die 
Schacht-PS-Stunde und ließ sich durch Verwertung des Abdampfes in Viederdruck- 
und Zweidruckturbinen bis auf 15—20 kg herabmindern. Ein weiterer Nachteil der 
Dampffördermaschinen liegt darin, daß bei den großen zu beschleunigenden Massen 
ihre Regulierung nur sehr schwierig war und infolgedessen leicht ein Übertreiben der 
Förderkörbe stattfand, was zu erheblichen Betriebsstörungen und schweren Unfällen 
Veranlassung gab. Zwar versuchte man durch sogenannte Sicherheitsapparate eine 
genaue Regulierung der Geschwindigkeit bei der Seilfahrt zu erzielen, was trotz vor- 
züglicher Durchbildung dieser Apparate freilich nur teilweise gelang, weshalb man 
dann zur Erhöhung der Sicherheit und zwecks Kraftersparnis zum elektrischen An- 
triebe überging. 
Nach langjährigen Versuchen war endlich in der elektrischen Gleichstromförder- 
maschine nach der Bauart Ilgner mit Leonhardschaltung vor etwa 10 ZJZahren eine 
Fördermaschine entstanden, die bei nicht allzu hohem Kraftbedarf eine genaue Regulie- 
rung der Fördergeschwindigkeit gewährleistete, weil die Drehzahl des Gleichstrommotors 
und damit die Fördergeschwindigkeit so gut wie unabhängig von der Belastung ist. 
Durch die Spindel des Teufenzeigers wird die jeweils erforderliche Geschwindigkeit 
selbsttätig und genau eingestellt und die Führung der Maschine von der Tätigkeit des 
Maschinisten unabhängig gemacht, so daß eine unbedingte Sicherheit gegen Ubertreiben 
vorhanden ist. Eine schnelle Verbreitung fand die elektrische Fördermaschine durch die 
Erfindung der Koepescheibe, die eine erhebliche Verringerung der bewegten Massen mit 
sich brachte und gestattet, die Fördermaschine unter Fortlassung der Seilscheiben und 
des Seilscheibengerüstes auf einen aus Mauerwerk, Eisen oder Eisenbeton gebauten 
Förderturm unmittelbar über den Schacht zu setzen und so eine erhebliche Verbilligung 
der Anlage- und Energiekosten zu erzielen. 
Förderung. 
  
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