Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
VI. Buch. Bergbau und Hüttenwesen. 79 
  
Die am Wasser gelegenen Werke bevorzugten für das Entladen der Schiffe meist 
die aus Amerika gekommenen Huntschen Verladebrücken, wobei entweder der Greifer 
stets den ganzen Weg vom Schiff bis zur Ausladestelle zurücklegt oder das Erz nur 
in die Höhe hebt, um es in einen Füllrumpf zu verladen, von welchem es mittels 
Förderkübel, Laufkatze und automatischer Bahn auf die Lageplätze gebracht wird. Die 
auf die Zufuhr durch die Eisenbahn angewiesenen Werke suchten diese wichtige Frage 
der Entladung der Rohmaterialien mit Hilfe selbsttätiger Waggonkipper usw. zu lösen, 
während die in der Nähe der Erzgruben gelegenen Werke ihre Erze auf maschinell be- 
triebenen Hänge- und Seilbahnen beziehen, um sie entweder in Vorratsbehälter zu 
stürzen, oder unmittelbar ohne Umladen auf die Gicht des Hochofens zu bringen. In der 
Beförderung der Materialien auf die Gicht sind ebenfalls wesentliche Fortschritte er- 
zielt worden, die alle bezweckten, die Begichtung möglichst automatisch auszuführen. 
Diese Frage ist durch die Konstruktionen von Bleichert & Co., Stähler, Röchling, Pohlig 
und anderen auf die verschiedenste Weise gelöst worden. 
Bereits in der Mitte der 80er Jahre waren die steinernen Winderhitzer beinahe 
allgemein eingeführt. Man erzielte dadurch eine Ersparnis an Koks sowie einen beträcht- 
lichen Überschuß an Wind, so daß die Leistung des Hochofens ohne Vergrößerung des 
Gebläses wesentlich gesteigert werden konnte. Durch Vermehrung der Heizfläche und 
Vergrößerung der Abmessungen der Winderhitzer sowie durch Verbesserungen der Um- 
steuerapparate wurden diese Apparate wesentlich vervollkommnet. 
Um den Bau des Hochofens haben sich namentlich Lürmann und Burgers durch zahl- 
reiche konstruktive Verbesserungen Berdienste erworben, letzterer besonders dadurch, 
daß er Bodenstein, Gestell und Nast in Kohlenstoffsteinen ausgeführt hat, welche sich 
auf zahlreichen Werken bewährt haben. Die Erfindung des gußeisernen wassergekühlten 
Schachtmantels von Burgers fand jedoch in den Kreisen der Interessenten nur geteilte 
Aufnahme. Als gutes Mittel gegen Roheisendurchbrüche wurde eine wassergekühlte 
Panzerung des Gestells in verschiedener Ausführung angewendet. 
Die automatischen Beschickungsvorrichtungen bedingten die Einführung doppelter 
Eichtverschlüsse, deren Einrichtung meist nach Sostem Neumark oder Buderus u. a. 
erfolgte. Mit den vielfachen Verbesserungen der einzelnen Teile des Hochofens ging 
eine Vergrößerung des Inhalts Hand in Hand. Im Betrieb des Ofens sind ebenfalls 
Verbesserungen zu verzeichnen, so daß die durchschnittliche jährliche Erzeugung eines 
Ofens in den letzten 25 Zahren von 19000 Tonnen auf 65000 Tonnen stieg. So gestattet 
die Stichlochstopfmaschine von Dango und ODinnenthal einen bequemen und sicheren 
Verschluß des Abstiches. Das von Dr. Menne in Creuzthal erfundene Sauerstoffver- 
fahren zum Offnen des Stichloches hat ebenfalls zur Erleichterung des Hochofenbetriebes 
beigetragen. Das Brechen der Roheisenmasseln erfolgt ebenso wie ihr Transport häufig 
auf maschinellem Wege. 
Die wichtigste Neuerung im Betrieb ist jedoch in der von Lürmann zuerst vorgeschlage- 
nen Verwendung der Gichtgase in der Gasmaschine zu sehen. Die Gase, welche einen 
Heizwert von etwa 850 Wärmeeinheiten pro Kubikmeter besitzen, wurden bisher unter 
Dampfkesseln zur Erzeugung von Dampf verwendet, wodurch der Hochofen in der Lage 
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