72 Wasserstraßen und Binnenschiffahrt. VIlI. Buch.
Vom allgemein verkehrspolitischen Standpunkte wurde ferner geltend gemacht,
daß das Bestehen eines staatlichen Schleppbetriebes der Verwaltung die Möglichkeit
gebe, durch die Bemessung der Schlepptarife einen gewissen Einfluß auf die Gestaltung
der Güterbeförderungskosten auf den Wasserwegen, also der Frachten im weiteren Sinne
des Wortes, zu gewinnen.
Endlich kam auch der Gedanke zum Ausdruck, daß der mit Monopolcharakter aus-
gestattete Schleppbetrieb auf den Wasserstraßen, ähnlich wie der Eisenbahnbetrieb, eine
Quelle von Reineinnahmen werden, also einen finanziellen Gewinn abwerfen könnte;
bisher hat sich dieser Gedanke freilich bei keinem der vorhandenen Schleppbetriebe ver-
wirklicht.
Die Ubernahme des eigentlichen Schiffahrtsbetriebes, d. h. der Beförderung von
Personen und Gütern durch die Eigentümer der Wasserstraßen, wie sie auf einigen eng-
lischen Kanälen stattfindet, ist in Deutschland — mit einer gleich zu erwähnenden unbe-
deutenden Ausnahme — nirgends geplant oder durchgeführt. Der Kreis Teltow hat
auf seinem Kanal den Betrieb der Personenschiffahrt sich allein vorbehalten und tat-
sächlich übernommen.
Der Betrieb der Häfen mit ihren Lösch- und Ladevorrichtungen wird in der Regel
von den Eigentümern oder Verwaltern einheitlich geführt; die Verhältnisse haben sich
im allgemeinen immer mehr dahin entwickelt, daß die früher vorhandenen privaten An-
stalten in staatliche oder kommunale Hände übergehen. Insbesondere sind die früher
in den Duisburg-Ruhrorter Häfen vorhandenen privaten Kohlenkipper inzwischen fast
sämtlich von der staatlichen Berwaltung übernommen, von 22 Kippern wurden nur
noch 2 von Privaten betrieben.
In einigen großen Häfen, wie Bremen, Hamburg, Altona, Stettin, werden sogar
außer dem Betriebe von Lösch- und Ladevorrichtungen auch eigentliche Lösch- und Lade-
geschäfte von den öffentlichen Hafenverwaltungen selbst oder durch autorisierte Gesell-
schaften mitbesorgt.
IV. Verkehrsentwickelung.
Oie geschilderte Entwickelung der Wasserstraßen
und ihrer Betriebsorganisation steht zu derjenigen
ihres Verkehrs in dem doppelten Verhältnisse der
Ursache und Wirkung. Oie starke Zunahme des Verkehrs drängte zum Ausbau vor-
handener und zur Herstellung neuer Schiffahrtswege, während anderseits die Ver-
besserung und Erweiterung des deutschen Wasserstraßennetzes nicht nur neue Verkehrs-
möglichkeiten schuf, sondern auch neue Transportbedürfnisse wachrief und dem Güter-
umlauf, der Gütererzeugung und dem Verbrauche kräftige Antriebe gab. Die den
Wasserstraßen wesentliche, die Grundlage ihrer volkswirtschaftlichen Daseinsberechtigung
bildende Eigenschaft der billigen Frachten lenkte ihnen den Güterstrom in steigendem
Maße — in stärkerem Maße wie den Eisenbahnen — zu.
Der gesamte Güterverkehr auf den deutschen Wasserstraßen, ohne den in dieser
Wasserstraßenentwickelung
und Verkehrsentwickelung.
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