Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Dritter Band. (3)

  
84 Die Geeschiffahrt. VII. Buch. 
  
einen energischen, weitblickenden Urheber und Vertreter hatte, hat unter der Regie- 
rung Kaiser Wilhelms ll. reiche Früchte gezeitigt. Sie förderte nicht nur die 
Bemühungen der deutschen Industrie, ständige Absatzmärkte für ihre Erzeugnisse in 
überseeischen Ländern zu gewinnen, sondern trug auch in hohem Maße dazu bei, das 
Ansehen Oeutschlands im Auslande zu hHeben und den beimischen Erzeugnissen fort- 
dauernd neue Absatzgebiete zu erschließen. Handels- und Tarifverträge taten dazu das 
Ihrige, nach Möglichkeit eine feste Grundlage für die Förderung des gegenseitigen Aus- 
tausches von Boden- und Industrieerzeugnissen zu schaffen. 
Die Umwandlung der Verkehrsmittel ist von 
jeher eine der wichtigsten Ursachen der mensch- 
heitlichen Weiterentwicklung gewesen. Den europäischen Kulturvölkern blieb es vor- 
behalten, die Pioniere auf dem Weltmeere zu werden. 
Jahrhunderte vergingen nach Fahrten der Alten, nach den großen Entdeckungsreisen 
der Spanier, Portugiesen, Holländer und Franzosen, bis die Seeschiffahrt in neue 
Bahnen geleitet werden konnte, die sie allmählich zu ihrer heutigen Blüte und Bedeu- 
tung führen sollten. Die Erfindung der Dampfmaschine und die Verwendung der Dampf- 
kraft als Triebkraft für Land- und Wasserfahrzeuge bedeuten auch in der Entwickelung 
der Seeschiffahrt einen Wendepunkt von höchster Wichtigkeit. Der Dampfmaschine 
war es beschieden, in den Schiffahrtsbetrieb jenes revolutionäre Element hineinzutragen, 
das sich mit der Zeit als so mächtig erwies, daß der Dampf unaufhaltsam seinen Sieges- 
zug übers Weltmeer antreten und zu Ende führen konnte. 
Wie die gesamte Industrie durch die Einführung der Dampfkraft eine völlige Um- 
gestaltung erfuhr, wie die durch die Dampfkraft bedingte Technik ein ungeheures An- 
schwellen der Produktionskraft zur Folge hatte, so geschah dies auch in der Schiffahrt, 
der sich ungeahnte Bahnen eröffneten. 
In den zwanziger und dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts ging die Ent- 
wicklung der Dampfschiffahrt allmählich schneller vor sich. Der wichtigste Fortschritt 
in diesem großen Abschnitt bestand in der Einführung der von dem Osterreicher Ressel 
1829 erfundenen Schiffsschraube als Treibeapparat, dessen Verwendbarkeit nach ein- 
gehenden Versuchen jedoch erst im Jahre 1858 mit dem englischen Dampfer „Archimedes“, 
einem Schiffe von 240 Tons, dargetan wurde, und in der Einführung des Eisens auch 
als Baumaterial für den Schiffskörper. 1837 fuhr der erste eiserne Seedampfer übers 
Meer. 
Im deutschen Seeverkehr war allerdings noch in der ersten Hälfte des 19. Jahr- 
hunderts von diesen Fortschritten wenig zu verspüren. Das verödete und verarmte 
Land bedurfte geraumer Zeit, um sich von den schweren Wunden, die die Kontinental- 
sperre und die napoleonischen Kriege seinem gesamten Wirtschaftsleben geschlagen hatten, 
zu erholen. Zugleich waren die politischen Verhältnisse Deutschlands, die in der Zer- 
rissenheit und Machtlosigkeit des Landes begründet waren, der Entwickelung der See- 
schiffahrt besonders ungünstig. Auch die rücksichtslose Schutzzollpolitik fremder Staaten, 
vor allem Englands und Hollands, erschwerten der deutschen Schiffahrt Dasein und 
Umwandlung der Verkehrsmittel. 
  
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