Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Dritter Band. (3)

  
4 Die evangelische Kirche und Theologie. VIII. Buch. 
  
an den evuiangelisatorischen und vor allem apolo- 
getischen Aufgaben der Zeit hingab und dadurch nicht 
nur die bisher einseitig betonte Liebestätigkeit in der 
durch Wicherns Programm selbst gewiesenen Richtung zu ergänzen, sondern auch die 
früher stark vernachlässigte Fühlung mit dem Geistesleben der Gegenwart und damit 
die Einwirkung auf die „gebildeten Stände“ zu gewinnen suchte. Hier hat vor allem 
durch seine apologetischen Instruktionskurse der Zentralausschuß für Innere 
Mission in Berlin, der nicht bloß durch seine Kongresse immer mehr zu einer geistigen 
Zentrale aller inneren Missions-Arbeit wird, die Führung übernommen. 
Evangelisatorische und 
apologetische Arbeit. 
  
  
Charakteristisch für den mächtigen Fortschritt der inneren Missions- 
Arbeit in den letzten Jahrzehnten ist die immer stärkere Heran- 
ziehung und Ausbildung freier weiblicher Arbeitskräfte für ihre Liebeswerke. Was hier 
durch die „Frauenhilfe des Evangelisch-kirchlichen Hilfsvereins“, die umfassendste 
und bedeutungsvollste dieser Art Arbeitsgemeinschaften, vor allem für die Organisierung 
der kirchlichen Krankenpflege, die „Frauengruppe der kirchlich-sozialen Kon- 
ferenz"“ z. B. für die Heimarbeit, den „Onternationalen Verein der Freundinnen 
junger Mädchen“" für Mädchenschutz und den „Verband der evangelischen Jung- 
frauenvereine Deutschlands“ für die Pflege weiblicher Jugend geschieht, bedeutet 
ein Ruhmesblatt in der neuesten Geschichte der Inneren Mission. Auch der „Deutsch- 
evangelische Frauenbund“ widmet sich einer Reihe von sozialen Aufgaben, stellt aber 
in letzter Zeit je länger je mehr unaufhaltsam weiterdrängende frauenrechtliche Gesichts- 
punkte in den Vordergrund. 
Frauenarbeit. 
  
Die apologetische Bewegung, welche seit etwa 
einem Dutzend Jahren bei uns eingesetzt hat und 
sich über das ganze Gebiet der evangelischen Kirche außerordentlich rasch verbreitet hat, 
geht in ihrer Gesamterscheinung weit über den Rahmen der Inneren MNission hinaus. 
Sie ist aus den Weltanschauungskämpfen, die uns vor allem der Haeckelsche Monismus 
aufgezwungen hat, herausgeboren. Sie hat der Theologie neue fruchtbare Aufgaben 
gestellt, eine Riesenliteratur hervorgebracht, einen enormen Vortragsapparat erzeugt 
und durchdringt unser gesamtes kirchliches Leben in Theorie und Praxis. Neben dem be- 
reits erwähnten Instruktionskursus des Zentralausschusses für Innere Mission 
dient das 1909 gegründete Apologetische Seminar zu Wernigerode a. H. der 
apologetischen Ausbildung von Theologen und Religionslehrern. Unter der Führung 
der wissenschaftlichen Apologetik unserer Zeit bemächtigen sich der apologetischen Prazis 
immer mehr neue kritische, zeitgemäße Methoden. In der Auseinandersetzung mit dem 
Monismus hat die moderne Apologetik ihre Ebenbürtigkeit der Wissenschaft unserer 
Zeit gegenüber bewiesen. Diesem Umstande verdankt sie ihre unleugbaren Erfolge, 
die darin bestehen, daß vielen unserer der Religion entfremdeten Zeitgenossen durch sie 
das Recht der christlichen Weltanschauung im Geistesleben der Zeit wieder deutlich 
geworden ist. Die religiöse Krisis der Gegenwart erzeugt zahlreiche geistige Typen, 
Apologetische Bewegung. 
  
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