72 Oie kattolische Kirche. VIII. S#uch.
Arbeiter mit andersgläubigen in denselben Unternehmungen zusammen tätig sind,
werden sie auch gemeinsame Organisationen mit diesen eingehen. Die Möglichkeit,
sie für die Dauer ausschließlich unter sich zu organisieren, dürfte so unwiederbringlich
dahin sein wie die geistlichen und konfessionellen Staaten des alten Reiches; und selbst
diesen ist es bekanntermaßen schließlich nicht mehr gelungen, die Scheidung reinlich durch-
zuführen. Der religiöse Unterricht in Schule und Kirche wird solide Kenntnisse der christ-
lichen Lehre und warme Begeisterung für die religiösen Zdeale vermitteln müssen.
Dann wird die Widerstands- und Werbekraft des katholischen Gedankens sich stark genug
erweisen gegen die drohenden Gefahren; es wäre traurig, wenn er nur durch Abschlie-
KHung, die schon einmal so Uäglich Fiasko gemacht hat, gegen fremde Einflüsse verteidigt
werden könnte. Nur durch Festigung von innen heraus, die freilich viel mühsamer ist
als Absperrung, wird es gelingen, die starke Konkurrenz anderer Weltanschauungen
auszuhalten. Das in Ubereinstimmung mit T#ußerungen erfahrener Soziologen stehende
Wort von F. X. Kraus, der auch über die einschlägigen Fragen nachgedacht und dank seiner
Kenntnis verschiedener Länder Gelegenheit zur Vergleichung hatte, ist nicht von der
Hand zu weisen: „Die sozialen Probleme werden, insoweit sie materieller Art sind,
insoweit sie Magenfragen sind, gar nicht von den Dogmen berührt; das Hereintragen
konfessioneller Gesichtspunkte in alle diese Fragen, welche durch den Ubergang von der
Hand- zur Maschinenarbeit, durch die Ausbildung unserer Industrie und die Agglo-
meration großer Bevölkerungsmassen auf einen Punkt hervorgetreten sind, ist voll-
kommen unberechtigt und kann nur Unsegen stiften. Die Predigt der Liebe und der Selbst-
losigkeit ist das Einzige, was die Religion hier Erkleckliches und Großes leisten kann; aber
es ist etwas so Großes, daß man wohl sagen darf, die Lösung der vorliegenden volks-
wirtschaftlichen Probleme wird durch den religiösen Einfluß des Christentums unend-
lich erleichtert werden und wird ohne diesen Einfluß sehr schwer, wahrscheinlich unmög-
lich sein.“ Die Lage ist für die Kirche äußerst schwierig; denn ein schroffes Vorgehen
gegen die interkonfessionellen Gewerkschaften könnte einen dem beatsichtigten ent-
gegengesetzten Erfolg haben und ihre Mitglieder erst recht dahin treiben, von wo man
sie fernhalten wollte. Die Arbeiter, der in ihrer Masse liegenden Macht sich bewußt,
sind nicht so geduldig und nicht so an autoritative Behandlung gewöhnt, wie etwa
die Professoren, deren vergleichsweise geringe Zahl zusammen mit ihrer mangelnden
Einigkeit bisher an keine gemeinsame VBertretung ihrer Standesinteressen denken ließ.
Der Einfluß der Kirche auf die katholischen Arbeiter könnte für die Dauer um
so mehr gefährdet werden, wenn sie ihnen das natürliche, vom Staat ihnen gelassene
Assoziationsrecht und die Verteidigung ihrer Ansprüche zu beschränken suchte. Es ist
kein schlechtes Zeichen für die Gewerkschaften und scheint für eine den verschiedenen
Bedürfnissen Rechnung tragende Mittelstellung zu sprechen, daß eine auch sonst sehr
intransigente „katholische" Presse und die extremen Kirchenfeinde ihnen gleichmäßig
entgegen sind.
Bielleicht keine katholische Organisation
Katholische Studentenkorporationen. » «
hat häufigere und erbittertere Anfech-
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