Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Dritter Band. (3)

  
1 Eisenbahnen, Straßen- und Luftverkehr, Post und Telegraph. VII. Buch. 
  
"Die Schnellbahnfrage. Es ist vorgeschlagen worden, die elektrische Triebkraft 
zur Lösung der sogenannten Schnellbahnfrage heran- 
zuziehen. Dieses Problem hat die Geister im letzten Jahrzehnt des abgelaufenen Jahr-- 
hunderts stark beschäftigt. Man schlug vor, die wichtigsten Verkehrszentren mit einem 
Netz besonderer, nur dem Personenwerkehr dienender Bahnen zu verbinden, die mit 
außergewöhnlichen Geschwindigkeiten — 150—200 km in der Stunde — betrieben 
werden sollten. In Berlin wurde eine Studiengesellschaft für elektrische Schnellbahnen 
gegründet, die mit großen Mitteln an die praktische Untersuchung der Frage herantrat. 
Ein Schnellbahnwagen dieser Gesellschaft hat am 28. Oktober 1903 die größte je auf 
der Schiene zurückgelegte Geschwindigkeit von 210 km in der Stunde erreicht. Der 
Sturmwind legt 75, der Adler 100, der beftigste Orkan, wie er in unseren Breiten über- 
haupt nicht vorkommt, 150—190 km in der Stunde zurück. 
Aber die weitere Entwicklung der Schnellbahnfrage entsprach nicht den glänzen- 
den Hoffnungen, zu denen die Erfolge dieser Versuchsfahrten zu berechtigen schienen. 
Die Fahrten wurden bald darauf eingestellt. Sie hatten eben die Möglichkeit, im regel- 
mäßigen Betrieb Geschwindigkeiten bis zu 200 km zurückzulegen, noch nicht erwiesen. 
Und schwerer noch als die technischen Schwierigkeiten wären die wirtschaftlichen Beden- 
ken zu überwinden, die sich der Erbauung besonderer Schnellbahnen für den reinen Per- 
sonenverkehr entgegenstellten. 
  
III. Verkehr. 
In den 1880 er Jahren ging eine kräf- 
tige Bewegung durch Europa, die nach 
einer Ermäßigung der Personen- 
tarife verlangte. Ein Erfolg dieser Bewegung war die Einführung des Baroßschen 
Zonentarifs in Ungarn im Zahre 1889. Andere Länder sind dem ungarischen Beispiel 
gefolgt. Auch die deutschen Regierungen haben in den Zahren 1889 bis 1891 über die 
Einführung einer gemeinsamen deutschen Personentarifreform, allerdings nicht auf der 
Grundlage eines Zonen-, sondern eines reinen Entfernungstarifs, verhandelt. Die 
Verhandlungen sind ohne Ergebnis geblieben. 
Mannigfache Einzelermäßigungen wurden seitdem eingeführt, so ein ermäßigter 
Arbeiterkartentarif und ein ermäßigter Militärtarif, beide auf der Grundlage des Ein- 
pfennigsatzes für das km, der ermäßigte Vororttarif für Berlin 1891, ein Zonensystem, 
bei welchem die Fahrpreise bis auf 1½ Pfennig für das km herabgehen. Mit der Ein- 
führung dieses Vororttarifs setzte das gewaltige Wachstum von Großberlin in seinen 
Vororten ein. Auch in Bayern und Baden wurden Vorortverkehre zu ermäßigten 
Sätzen (2 Pf. für das km) eingerichtet. 
Für den allgemeinen Reiseverkehr wurde im Verein deutscher Eisenbahnverwal- 
tungen das zusammenstellbare Fahrscheinheft geschaffen, eine Einrichtung, an der sich 
nach und nach der größte Teil der europäischen Eisenbahnverwaltungen und eine größere 
Zahl der Schiffahrtsgesellschaften beteiligt haben. Roch eine Reihe von besonderen 
Der Personenverkehr. 
1. Einzelne Fahrpreisermäßigungen. 
  
  
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