LX. Buch. Die Universitäten. 5
Ausgrabungen des römischen Kaiserpalastes in Trier, die auf der Saalburg, in Agypten,
Kleinasien, Mesopotamien, der Zuschuß zur Sammlung deutscher Volkslieder, die Bei-
bilfe für das Institut für experimentelle Therapie in Frankfurt: wer möchte hier all diese
Werke aufzählen, die neue Gedanken anregen und neue Kenntnisse sichern. Sie rufen
akademische Kräfte auf den Plan, stellen ihrem Fleiß und Forschertrieb neue Aufgaben,
beschäftigen die älteren und schulen die jüngeren Kräfte und leiten, bei der engen Wechsel-
wirkung zwischen Universität und Wissenschaft, den Strom geistigen Lebens durch alle
ihre Kreise. Wir wissen, wie sehr all diese Bestrebungen an dem Throne ihren erhabenen
Protektor und verständnisvollen Förderer finden. Was immer das Leben der Nation
bewegt und die Besten im Volke beschäftigt, darf hoffen, dort Gehör, schnelles Verständnis
und die helfende Hand zu treffen, die, wenn nötig, hierfür die Mittel des Staates in
Bewegung setzt. Die Gedanken Wilhelm von Humboldts, daß der Staat die Universitäten
weder als Spezialschulen behandeln, noch im ganzen von ihnen etwas fordern dürfe, was
sich unmittelbar und geradezu auf ihn beziehe, haben in ihrer praktischen Ausgestaltung
die Universitäten davor bewahrt, Fachschulen zu werden und ihnen neben der Philo-
sophie, der morum genetrix et magistra eine große Reihe von anderen Wissenschaften,
orientalische Sprachen, Kunstgeschichte, Astronomie angegliedert, die von den Bedürf-
nissen des Tages unabhängig den Charakter der Universitäten als Pflegstätten der reinen
Wissenschaft bezeugen und daran erinnern, daß sie nicht bloß Fachschulen sind und sein
sollen. Die anfänglich gehegte Besorgnis, daß die in weitausschauender Initiative ge-
schaffene Kaiser-Wilhellm-Gesellschaft die AUniversitätten verdunkeln und ihr geistiges Leben
beeinträchtigen könnte, erscheint nicht gerechtfertigt; denn schon jetzt wird eine Wechsel-
wirkung zwischen ihren Instituten und den akademischen Kreisen erkennbar; vielmehr ist
zu erwarten, daß die engere Beziehung ihrer Leiter und Arbeiter zu den Landesuniversi-
täten, zur Kritik und Teilnahme kollegialisch verbundener Amtsgenossen wie zur akade-
mischen Zugend sie selbst vor Erstarrung und bürokratischer Gestaltung bewahren wird.
Erst wenn Wissenschaften in dem akademischen Boden der Universität ver-
ankert sind und von festen Lehrstühlen her die Möglichkeit haben, sich öffentlich zu ver-
künden, entfalten sie die Schwungkraft gesteigerter Wirksamkeit und ihre Anziehungskraft.
Das zeigt sich an verschiedenen Fällen, um ein Beispiel zu geben, an der Anthropologie
und Ethnographie, die trotz ihrer Wichtigkeit in Preußen nur einen, in ganz Deutschland
nur zwei Ordinariate besitzt und darum noch der festen Stützpunkte, um die sich wissenschaft-
liche Kräfte kristallisieren, entbehrt. Wenn der Studentenschaft die Möglichkeit gegeben
wird, ihren Interessenkreis zu erweitern und Vertretern dieser Wissenschaft an verschiede-
nen Hochschulen zu begegnen, wird auch diese hinreichendes Verständnis finden und aus
dem beschränkten Leben nahezu musealer Existenz zu einer ihrer Bedeutung entsprechenden
allgemeinen Wirksamkeit sich erheben. Die Schätze des Berliner Museums, besser auf
die Provinzen verteilt und an ethnographische Professuren an den einzelnen Landes-
universitäten angeschlossen, würden ganz andere Bedeutung und Benutzung finden, auch
erheblicher zu dem Verständnis unserer Kolonien beitragen, als in der fast ausschließlichen
Pflege von den in Berlin konzentrierten, wenn auch noch so ausgezeichneten Museums-
beamten und Professoren.
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