Ix. Buch. Hie technischen Dochschulen. 17
und Naturwissenschaften bilden seit der Gründung der Pariser Ccole polytechnique,
an deren Plan sich in Deutschland die ersten Schritte der Entwicklung über die
Handwerksschule hinaus angeschlossen hatten, den allgemein anerkannten Grundstock
technischer Bildung, und solange die theoretischen Wissenschaften in der Durcharbeitung
unserer Erfahrungen und in der Anwendung ihrer Lehren auf technische Probleme ihr
Genüge finden, sind sie jedenfalls unumgängliche Vorbedingungen wissenschaftlicher
Technik. Aber je mehr während des vorigen Jahrhunderts sich die Mathematik der Kritik
ihrer Grundlagen zu- und den Anwendungen abwandte, je mehr auch einzelne Mathe-
matiker der technischen Hochschulen ihre Wissenschaft in diesem Sinne vorzutragen ver-
suchten, um so mehr regte sich der Widerspruch technischer Eigenart, die neue Ansprüche
auf die bemessene Studiendauer für dringlicher hielt. Der Forderung, jede Wissen-
schaft, die akademisch betrieben wird, muß um ihrer selbst willen betrieben werden, stellte
sich die Forderung gegenüber, daß im Hochschulstudium nach Ablegung der Reifeprüfung
alle Studien nur, soweit sie dem fachlichen Ziele zuführen, Berechtigung haben. Sind
Mathematik und Naturwissenschaften Grundwissenschaften oder Hilfs-
wissenschaften? lauteten die Stichworte der Parteien. Dem Muster französischen
technischen Unterrichts wurde die englische Ausbildung gegenübergestellt, die am längsten
an der in Handwerk und Kunst geübten Uberlieferung durch den Meister festgehalten hat.
Oie radikalste Forderung, Mathematik und Naturwissenschaften gänzlich den Mittel-
schulen zuzuschieben und auf der Hochschule das etwa weiter Erforderliche nicht als selbst-
ständiges Wissen, sondern nur insoweit es im fachlichen Zusammenhange benötigt wird
zu bieten, hat sich nur hinsichtlich der Mathematikprüfungen in den bei den Abteilungen
durchführen lassen, die schon bisher geringe Anforderungen an die mathematische Aus-
bildung stellten, die chemische und teilweise die Hochbauabteilung. Aber zu einer heil-
samen Nachprüfung des an der Hochschule vorgetragenen theoretischen Wissens auf seine
Brauchbarkeit und seinen Bildungswert für das technische Studium, zu einer Ausschei-
dung des Entbehrlichen, einer Konzentration auf das technisch Wichtige hat allerdings
die Entwicklung hingeführt, die an allen Hochschulen in den ersten Zahren des neuen
Jahrhunderts sich allmählich beruhigte. Indessen ist wohl vielfach in Weitblickenden der
Wunsch rege geblieben, daß es gelingen möge, die Vorbildung der deutschen akademi-
schen Zugend so zu gestalten, daß sie eher zu den fachlichen Studien gelangt als jetzt, sei
es, daß man die gymnasiale Bildungsstufe eher beendet, sei es, daß man die realistischen
Fächer in ihr verstärkt auf Kosten der sprachlichen.
Zugleich mit der Beschwichtigung dieser Fra-
gen erhob sich eine neue Forderung, die zu
lebhaften Auseinandersetzungen führte. Wurde
früher der wissenschaftlich gebildete Techniker vorwiegend im Zeichenbureau und im
Laboratorium beschäftigt, so waren ihm inzwischen im öffentlichen Dienste wie in
Privatstellungen in wachsendem Maße Verwaltungsgeschäfte zugefallen, und kauf-
männische Erwägungen entschieden oft mehr als konstruktive Vorteile über den Erfolg
technischer Ideen.
Verwendung von Technikern
in höheren Verwaltungsstellen.
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