36 Das höhere Schulwesen. IX. Buch.
dung verschiedener Bildungstypen gab der Monarch entschlossenen Ausdruck. Aber in
der Versammlung, deren Mitglieder durch das Ministerium wohl nicht ganz im Sinne
des Allerhöchsten Auftrags ausgewählt waren, überwog allzusehr ein konservativer
Zug, der Wunsch, das Bestehende auch in den Einrichtungen zu erhalten. So wurde
im einzelnen zwar manches gebessert; im ganzen aber bedeuteten die Beschlüsse der Kon-
ferenz und die auf deren Grundlage ausgearbeiteten Bestimmungen von 1891 doch nur
einen weiteren Schritt auf der bisher schon begangenen Bahn, einen abermaligen Ver-
such, immer noch alles, was gelernt werden sollte, in einem einzigen Lehrplan unterzu-
bringen. ODen beiden realistischen Anstalten wurden die wichtigsten Berechtigungen auch
diesmal versagt; dem Gymnasium blieb seine äußere Vorzugsstellung noch gewahrt,
dafür wurde es im Znnern dem Realgymnasium wieder um einiges ähnlicher gemacht,
also in seiner Eigenart, seinem Lebensnerv geschwächt.
Und nicht nur verschiedene A#rten, sondern
auch verschiedene Stufen der Bildung
wurden aufs neue und mit verschärfter Wirkung in eins zusammengedrängt. Seit der
ersten umfassenden Organisation des höheren Schulwesens in Preußen (1809/10) hatte
der Grundsatz gegolten, daß die Vorbildung für praktische Berufe nicht ein selbständiger
Zweck sei neben der Vorbereitung auf gelehrte Studien, sondern daß der künftige Kauf-
mann oder Gewerbetreibende oder mittlere Beamte sich begnügen müsse, einen Teil
jenes allgemeinen, weiter hinaufreichenden Bildungsganges, bis zu dieser oder jener
Klassenstufe, durchzumachen. So war es mehr und mehr dahin gekommen, daß den
„Vollanstalten“ in Masse auch solche Schüler zuströmten, die gar nicht daran dachten
das Reifezeugnis zu erlangen, sondern von vornherein bloß den Wunsch hatten, mit
irgend einer bescheidneren Berechtigung, in der Regel mit der für den einjährigen Mili-
tärdienst, abzugehen. Bei einer Aufnahme des Tatbestandes für das Schuljahr 1889/90
stellte sich heraus, daß auf je 200 Schüler, die von neunklassigen höheren Schulen abge-
gangen waren, nur 41 kamen, die das Ziel ihrer Anstalt erreicht hatten; und doch war
auf dieses Ziel hin der ganze Lehrgang angelegt. Es erschien unbillig, daß unter der Für-
sorge für ein Fünftel der Schüler alle übrigen zu leiden hätten; nun wollte man zum
Schutze der Mehrheit eingreifen. Zunächst wurde an den unvollständigen Anstalten, die
bis zur Versetzung nach Prima geführt hatten, die oberste Klasse eingezogen, so daß sie
mit Untersekunda und mit Erlangung des Einjährigenzeugnisses abschlossen. Auf dieses
Ziel hin wurde ihr Lehrplan eingerichtet, und dieser Lehrplan fortan für die entsprechende
Klassenreihe auch bei den Vollanstalten zu grundegelegt, — die doch ihre eigene Aufgabe
nur dann recht erfüllen konnten, wenn es ihnen möglich war, durchweg in der Erziehung
der Geisteskräfte einen frühen Anfang auf das späte Ende zu richten. Unter der Rück-
sicht auf die Mehrzahl mochte nun die Minderheit leiden; das waren aber gerade diejeni-
gen Zünglinge und Knaben, die zu künftigen Führern der Nation erzogen werden sollten.
Die Grenzen des Einjährigenrechtes.
Der Gefahr, die durch solche Maßregeln unleugbar heraufbeschworen
Die Lehrer. » »«
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