58 Volksschulen. IX. Buch.
Kursen zu sammeln aber der Versuch mißglückte meist, weil gerade diejenigen Mädchen,
welchen man helfen wollte, bereits in diesem Alter gezwungen waren, dem Erwerbe nach-
zugehen. So blieb nur übrig, in der Zeit der Volksschulpflicht an sie heranzutreten. Und
nun wurden die Mädchen des letzten, auch des vorletzten Schuljahres in Schulküchen
gestellt, erst in künstlicher Angliederung an die Volksschule, außerhalb der regelmäßigen
Schulzeit. Der erste Widerstand der Schulbehörden war bald besserer Einsicht und freu-
diger Förderung gewichen. Es zeigte sich, daß der hauswirtschaftliche Unterricht sehr
wohl dem Volksschulunterricht eingegliedert werden kann und daß er einen höheren
erziehlichen Wert besitzt, als manche der reinen Wissensfächer. Heute ist der hauswirt-
schaftliche Unterricht da, wo er überhaupt eingeführt ist, dem Schulpflichtunterricht gleich-
gestellt und in den Lehrplan der Volksschule eingegliedert. Seine segensreiche Wirksam-
keit ist überall anerkannt; die großen Kosten der ersten Einrichtung und der Unterhalt der
Schulküchen, in denen übrigens auch andere Hausarbeit außer dem Kochen gelehrt wird,
haben es bisher noch verhindert, auf die Gemeinden einen Zwang zur Einführung aus-
zuüben. Wenn es einmal, was aber in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist, zur all-
gemeinen Einführung der Fortbildungsschulpflicht für das weibliche Geschlecht kommen
wird, dann wird der hauswirtschaftliche Unterricht vermutlich wieder der Volkeschule
entzogen und der Fortbildungsschule überwiesen werden.
Handarbeitsunterricht. Die Erfolge des Handarbeitsunterrichts der Mädchen
hängen, wie bei allem Unterricht, von der Güte des
Lehrpersonals ab. Der Handarbeitsunterricht kann nur als Fachunterricht erteilt werden.
An kleineren Schulen, auf dem Lande fast überall, sind daher nicht genug Stunden zu ver-
sorgen, um eine Lehrkraft fest anzustellen. Der Unterricht wird daher in den meisten
Schulen durch Hilfskräfte erteilt, deren Leistungen viel, oft alles zu wünschen übrig
lassen. Die Befürchtung Bismarcks, welche ihn zu heftigem Widerspruch gegen die
Bestrebungen des Kultusministers zur Einführung pflichtmäßigen Handarbeitsunterrichts
für die Mädchen im Anfang der Regierungszeit Kaiser Wilhelms lI. veranlaßte, daß damit
nur Näherinnen und Schneiderinnen großgezogen würden, hat sich nicht bestätigt. Die
Schwierigkeit der Beschaffung der Lehrkräfte hat es noch nicht überall in Deutschland zur
obligatorischen Durchführung des Unterrichts kommen lassen und hat die Leistungen nieder-
gehalten. Einige kleinere deutsche Staaten, so Sachsen haben gesetzliche Einrichtungen ge-
troffen, um die Stellung der Handarbeitslehrerinnen zu heben. Preußensteht hier noch zurück.
Der Handfertigkeitsunterricht für Knaben,
der fast überall allgemein erziehliche Ziele verfolgt,
hat sich dank der aufklärenden Tätigkeit des Deutschen Vereins für Knabenhandarbeit
in den letzten 25 Fahren über ganz Deutschland verbreitet. Der Unterricht beruht, von
wenigen Ausnahmen abgesehen, auf Freiwilligkeit. Seine Hauptzweige sind Papparbeit,
Holzarbeit, Metallarbeit und Modellieren. Verschiedene große Städte haben nach dem
Vorgange von Osnabrück musterhafte Einrichtungen geschaffen. Als besonders wertvoll
ist der Unterricht für die Hilfsschule erkannt worden. Das Handwerk erhofft von der
Handfertigkeitsunterricht.
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