Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Dritter Band. (3)

  
72 Volksschulen. IX. Buch. 
  
Damit schließen wir die Darstellung von der Entwicklung der preußischen Volksschule 
in den letzten 25 Jahren und werfen noch einen Blick auf die wichtigsten Ereignisse aus. 
der gleichzeitigen Volksschulgeschichte der übrigen deutschen Staaten. 
In Bayernlagen die Verhältnisse vor 25 Zahren ähnlich wie in Preußen. 
Ein umfassendes Volkeschulgesetz fehlte; es fehlt auch heute noch. Der 
Versuch, ein solches Gesetz zu schaffen, ist 1867 an den kirchenpolitischen Schwierigkeiten 
gescheitert. Ebenso wie in Preußen erschien es aber unerläßlich, die Schulunterhaltungspflicht 
und das Lehrerbesoldungswesen nach modernen Grundsätzen zu regeln. Das ist geschehen 
durch das Schulbedarfsgesetz von 1902. Bei dem in Bayern geschichtlich hergebrachten und 
bewährten Grundsatz, daß die Volksschulunterhaltung in erster Linie der politischen Ge- 
meinde obliegt, ist es verblieben. Aber die Verpflichtungen der Kreise und des Staates 
zur Bestreitung des Bedarfs der öffentlichen Volksschulen sind verstärkt worden in der 
Richtung, daß dem weniger leistungsfähigen flachen Lande der größte Teil der Zuschüsse 
des Staates und der Kreise zugute kommt, während die steuerkräftigeren Städte zur- 
Deckung des betreffenden Staats- und Kreisaufwandes nach ihrem Steuersoll gleichmäßig 
beizutragen haben. Die Verpflichtung des Staates zur Leistung von Oienstalterszulagen 
an das Lehrpersonal der Gemeinden unter 10 000 Einwohnern ist gesetzlich festgelegt. 
Eine Erleichterung der Gemeinden von einer mitunter empfindlichen Last bringt die 
Uberweisung der Kosten für Unterrichtsaushilfen bei Erkrankung, Beurlaubung oder 
sonstiger Verhinderung des Schulstelleninhabers auf den Kreis — hier wie in Preußen 
ist die Richtung der Gesetzgebung, die Last auf breitere Schultern zu legen. Der konfessio- 
nellen Minderheit ist gesetzlicher Schutz gewährt; die Einrichtung einer Sonderschule für 
sie kann unter bestimmten Bedingungen herbeigeführt werden. Für die Volkeschullehrer 
sind gesetzliche Mindestgehälter vorgeschrieben. Das Gesetz führt den Zwang zur Errich- 
tung von Ortsstatuten über die Lehrergehälter für eine bestimmte Gruppe von Gemeinden 
ein und sichert damit einem größeren Kreise von Lehrpersonen die Vorteile der orts- 
statutarischen Regelung. Die Reorganisation der Fürsorge für das dienstunfähige Lehr- 
personal und für Lehrerhinterbliebene, welch letztere bis dahin der gesetzlichen Grund- 
lage entbehrten, bedeutet einen wesentlichen Fortschritt. Die Trennung des niederen 
Kirchendienstes vom Schuldienste ist in geeigneten Fällen wenigstens angebahnt. Im 
Jahre 1909 trat eine Erhöhung der Dienstalterszulagen ein. Eine Reihe bayerischer Städte, 
an der Spitze München, zahlen besonders hohe Lehrergehälter. Auf dem inneren Schul- 
gebiete geht Bayern, das bisher nur 7jährige Werktageschulpflicht besitzt, mehr und mehr 
zur 8jährigen über. 
In keinem anderen deutschen Staate ist im letzten Bierteljahrhundert an der Förde- 
rung des Volksschulwesens energischer gearbeitet worden, als in Württemberg. Eine- 
Schulnovelle folgte der andern, um das Volksschulgesetz von 1836 den Anforderungen 
der Zeit entsprechend umzugestalten, bis es im Jahre 1909 unter durchgreifenden Inde- 
rungen zu einer vollständigen Neuredaktion kam. Das neue Gesetz hat mit Recht in der- 
politischen und der pädagogischen Presse viel Anerkennung erfahren. Charakteristisch ist, 
daß das gesamte Volksschulwesen bis in die Oberschulbehörden hinein konfessionell ein- 
Bapern. 
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