82 Die Fach- und Fortbildungeschulen. IX. Buch.
Lothringen bestanden zu dieser Zeit in eben nicht großer Zahl gewerbliche und kauf-
männische Fortbildungsschulen. Sie waren den Aufgaben und dem Plan nach Berufs-
schulen, unterschieden sich aber in ihrem Lehrstoff und ihren Leistungen nicht allzusehr
von den allgemeinen Fortbildungsschulen. Sie standen schon dadurch zu den Volks-
schulen in starker Abhängigkeit, daß es durchweg die Volksschullehrer waren, die den
Unterricht erteilten. Sie wiesen außerdem zum großen Teil den Nachteil auf, daß für
die Schüler keine Verpflichtung zum Schulbesuch bestand und daß in den Schulen des-
wegen ein planmäßiger Aufbau und eine feste Zucht fehlte. In diesen Beziehungen
brachten die 90er Jahre eine wesentliche Wendung zum Besseren. Man machte Ernst
damit, die gewerblichen und die kaufmännischen Fortbildungsschulen in Wirklichkeit zu
dem zu machen, was sie in ihren Namen vorgaben zu sein, nämlich zu gewerblichen
Berufsschulen. Man schuf, gestützt auf Vorschriften, die der preußische Handelsminister
am 5. Juli 1897 erließ, neue Lehrpläne, in denen man den gewerblichen Beruf der
Schüler in den Mittelpunkt des Unterrichts stellte und den gesamten Lehrstoff unter
dem Gesichtspunkt der beruflichen Förderung der Schüler auswählte und gliederte.
Man gab in Kursen den Lehrern die ihnen fehlende Anleitung zur Erteilung des Unter-
richts, und man wandte bedeutende Mittel zur besseren Ausstattung der Schulen mit
Lehrmitteln auf. Hierzu kam, daß vom Beginn des neuen ZJahrhunderts ab die Ver-
waltungen der großen Industriestädte den Gedanken der Pflichtfortbildungsschule auf-
griffen und, während die Fortbildungsschulen bis dahin meist nur die Handwerker und
allenfalls die Kaufleute umfaßt hatten, durch statutarische Bestimmungen alle unter
die Gewerbeordnung fallenden Gruppen von gewerblichen Arbeitern, insbesondere auch
die ungelernten und die Fabrikarbeiter, der Fortbildungsschulpflicht unterwarfen. Bahn-
brechend ging auf diesem Gebiete in Norddeutschland Magdeburg, in Süddeutschland
München vor, denen in den folgenden Fahren nahezu alle Industriezentren, 1905 auch
Berlin folgte.
Gesetzliche Grundlagen. Inzwischen schuf auch die Reichsgesetzgebung neue
Handhaben zur Förderung des Fortbildungeschul-
besuchs der jugendlichen Arbeiter. Die Novelle zur Gewerbeordnung vom 26. Juli 1897
(das sogenannte Handwerkergesetzf und das neue Handelsgesetzbuch schärften den
Lehrherren die Verpflichtung ein, die Lehrlinge zum Besuch der Fortbildungesschule
anzuhalten und den Schulbesuch zu überwachen. Spätere Novellen zur Gewerbe-
ordnung (vom 30. November 1900 und vom 27. Dezember 1911) erweiterten den
Kreis der der Fortbildungsschulpflicht zu unterwerfenden Personen auf die weib-
lichen gewerblichen Arbeiter und verliehen schließlich den höheren Verwaltungs-
behörden die tief eingreifende Befugnis, unter bestimmten Voraussetzungen über
den Kopf der Gemeindeverwaltung hinweg die Fortbildungsschulpflicht einzuführen.
Nach der jetzt geltenden Fassung des § 120 der Gewerbeordnung sind die gewerb-
lichen Unternehmer verpflichtet, ihren Arbeitern unter 18 Jahren zum Besuch der
Fortbildungsschule die erforderliche Zeit zu gewähren, die Gemeinden und die weiteren
Kommunalverbände sind befugt, im Wege statutarischer Anordnung die Fortbildungs-
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