Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Dritter Band. (3)

  
88 Die Fach- und Fortbilbungsschulen. IX. Buch. 
Süddeutschland hervorragende Beamte und Schulmänner tätig, auf deren Spuren die 
heutige Generation noch jetzt wandelt. Damals aber fehlte ihnen die Gefolgschaft; 
es fehltemn vor allem die Mittel, ohne die sich ein leistungsfähiges Fachschulwesen nicht 
organisieren läßt. Richt nur der Staat hielt sich zurück, sondern vielfach auch die Ge- 
meinden, so daß stellenweise der Fachunterricht dem Unternehmungsgeist von BVereinen, 
wo nicht gar von einzelnen Personen anheimfiel. Dies hatte zur Folge, daß es zum 
Teil an einheitlichen Grundsätzen für die Schulen derselben Fachrichtung fedblte, daß 
die Anstellungsverhältnisse der Lehrer ungeregelt waren, und daß der Ausbau der Schulen 
und die Errichtung neuer Anstalten mit dem Bedürfnis nicht annähernd Schritt hielt. 
In allen diesen Beziehungen ist in den letzten 25 Zahren eine weitgehende Besse- 
rung eingetreten. Das blühende Fachschulwesen, dessen sich Deutschland jetzt erfreut, 
ist das gemeinsame Werk des Staates, der Gemeindeverwaltungen und der an den 
Schulen interessierten Kreise von Handel und Gewerbe. Die Fachschulen sind jetzt nach 
Zahl und Art so mannigfaltig, daß eine vollständige Aufzählung nicht möglich ist und 
auch wohl eher verwirrend als belehrend wirken würde; es sollen daher nur die wichtigsten 
Gruppen erwähnt werden. Einer bemerkenswerten Verschiedenheit in der Organisation 
der preußischen Anstalten einerseits und derer in mehreren anderen Bundesstaaten sei 
dabei besonders Erwähnung getan. Zn Preußen gilt, abgesehen von den Handwerker- 
und Kunstgewerbeschulen, der Grundsatz, daß die Schulen als Spezialschulen für 
einzelne Gewerbszweige eingerichtet werden, während sich in den anderen Bundes- 
staaten, übereinstimmend mit dem von Österreich in der Einrichtung der Staates-Ge- 
werbeschulen gegebenen Beispiel, verschiedentlich große Zentralanstalten finden, in denen 
Bildungsgelegenheiten für verschiedene Gewerbszweige vereinigt sind. So umfaßt die 
Gewerbe-Akademie in Chemnitz die Aufgabe einer Maschinenbauschule, einer Bau- 
gewerksschule, einer gewerblichen Zeichenschule und einer Färbereischule; die Bau- 
gewerksschule in Karlsruhe neben der Gewerbe-Lehrabteilung eine bautechnische und 
eine maschinentechnische Abteilung. Ahnliche Verbindungen finden sich an den tech- 
nischen Schulen in Bremen, Straßburg und an anderen Orten. 
Zandwerker- und Kunstgewerbeschulen. Unter den Fachschulen sind die ver- 
breitetste Gruppe die Handwerker- 
und Kunstgewerbeschulen. Sie sind bestimmt für die Angehörigen derjenigen Gewerbe, 
zu deren Ausbildung eine weitergehende geschmackliche und zeichnerische Durchbildung er- 
forderlich ist, also für Dekorationsmaler, Modelleure, Tischler, Möbelzeichner, Metall- 
treiber, Ziseleure, Graveure, Lithographen, Schmiede und Schlosser und andere mehr. 
Sie haben in der Regel keinen festen klassemmäßigen Aufbau, sondern sind gegliedert 
in Kurse, die sich der Eigenart des einzelnen Gewerbes anpassen. In weitem Umfange 
nehmen sie durch Darbietung von Sonntag- und Abendunterricht darauf Rücksicht, daß 
ihre Besucher genötigt sind, sich durch gewerbliche Tätigkeit ihren Unterhalt zu verdienen. 
Daneben stehen Tagesklassen offen für diejenigen, die in der Lage sind, sich ganz der 
Ausbildung in der Schule für kürzere oder längere Zeit zu widmen. In den 80 er Jahren 
bis hinein in die 90er Zahre waren die Handwerker- und Kunstgewerbeschulen ganz 
  
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