VII. Buch. Eisenbahnen, Straßen- und Luftverkehr, Post und Telegraph. 21
erlassen worden. Dem deutschen Wirtschaftsleben sind bisher, obwohl strafgesetzliche Bestim-
mungen nicht bestehen, die schweren Schädigungen eines Eisenbahnstreiks erspart geblieben.
Oie Eisenbahnen (ausnahmlich der Kleinbahnen) haben
in Deutschland im Jahre 1911 eine Gesamteinnahme
von fast 3 1/2 Milliarden Mark erzielt, mehr als in irgend einem anderen Lande Europas,
England nicht ausgenommen, obwohl das Anlagekapital der englischen Eisenbahnen um
mehr als die Hälfte höher ist als das der deutschen.
Die Einnahmen der deutschen Bahnen haben sich in den letzten 25 Jahren verdrei-
facht. Ihre Entwicklung war allerdings keine gleichmäßig aufsteigende, vielmehr spiegeln
sich in ihr getreu die Wellen der Bewegung unseres allgemeinen Wirtschaftslebens wie-
der. Die wirtschaftlichen Krisen der Jahre 1890/91, 1901 und 1908 kommen in Einsen-
kungen der Entwicklungelinie der Eisenbahneinnahmen zum Ausdruck. Die Regelmäßig-
keit ihrer Wiederkehr und ihre kurze Dauer legt aber Zeugnis ab von dem gesunden Zu-
stande unseres Wirtschaftslebens.
Oie gesamten Betriebsausgaben der deutschen Eisenbahnen haben 1911 über
2 Milliarden Mark betragen. Während die Einnahmen in den letzten 25 Jahren sich ver-
dreifachten, haben sich die Ausgaben fast vervierfacht, die Selbstkosten des Eisenbahn-
betriebs haben also stärker zugenommen als die Einnahmen. Weitaus den größten Ausgaben-
posten der Eisenbahnverwaltungen bildet der Aufwand für das Personal. Er ist verhält-
nismäßig am stärksten gestiegen. Denn zugleich mit den Bezügen des Personals ist seine
Zahl stark erhöht worden.
Für die Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Eisenbahnunternehmens
gibt die sogenannte Betriebszahl (Betriebskoeffizient) einen Anhaltspunkt. Sie
drückt die Betriebsausgaben in Hundertteilen der Betriebseinnahmen aus.
Die Betriebszahl der deutschen Bahnen ist in den letzten 25 Jahren von 55 auf 65
gestiegen und hat in einzelnen Rechnungsjahren auch die letztere Ziffer noch erheblich
Überschritten.
Trotzbem hat der Betriebsüberschuß ausgereicht, um im Zahre 1911 das Anlage-
kapital der deutschen Bahnen mit 61/ zu verzinsen. Die Betrieberente ist in Deutsch-
land höher als in den anderen europäischen Ländern, obwohl die deutschen Tarife zum
Teil niederer sind. In den außerdeutschen Ländern erfordern die Eisenbahnen vielfach
Zuschüsse aus allgemeinen Staatsmitteln zur Oeckung ihrer Schuldenlast, in Deutschland
bringen sie größtenteils dem Staate Uberschüsse ein.
Die Verzinsung des Anlagekapitals der deutschen Eisenbahnen hat sich seit 25 Jahren
beträchtlich gehoben.!)) Die Bahnrente hat sich also verbessert in einer Zeit, in der die
Betriebskosten gestiegen und die Tarife gesunken sind. Diese Erscheinung ist, abgesehen
von den Fortschritten der Technik und der Vereinfachung der Verwaltung, vor allem
eine Folge des Gesetzes der Massennutzung, das den modernen Verkehr beherrscht. Mit
der Zunahme der Transportmengen werden die Anlagen besser ausgenützt, der Umsatz
wächst, die Preise sinken, der Ertrag steigt.
Verzinsung des Anlagekapitals 1886: 4,d# 1011, 6,606.
ODie Eisenbahnfinanzen.
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