X. Buch. Philosophie. 17
zeigen, also allgemeingültig sind, ist damit noch nicht entschieden. Auch bleibt es frag-
lich, ob die Wahrheit in demselben Sinne ein absoluter Wert genannt werden darf,
wie Gutheit und Schönheit. Zene behält ihre Bedeutung, auch wenn es gar keine
wertenden Subjekte gäbe, ist also gewiß von den spezifischen Bedingungen der MWMensch-
heit unabhängig. Dagegen sind gut und schön Prädikationen, die an die menschliche
Sphäre gebunden erscheinen, sofern man von übermenschlichen Realitäten absieht.
Man kann deshalb auch zweifelhaft sein, ob überhaupt die Logik in einer Philosophie
als Wertwissenschaft zutreffend unterzubringen ist. Die Merkmale wahr und richtig
haften an den Urteilen, denen sie zukommen, auch wenn ihnen keinerlei Anerkennung
zuteil wird, und das transzendente Sollen, unter das man das Anerkennen gestellt
hat, ist für die Wahrheit eine ebenso überflüssige Zutat, wie das Anerkennen selbst.
Dagegen dürfte es schwer werden zu sagen, was denn gut und schön überhaupt noch
seien, wenn von einer Billigung und einem Gefallen gänzlich abstrahiert würde,
wenn sie nicht wenigstens in einer möglichen Beziehung dazu blieben.
Aber diese Einwände, die sich noch durch den Hinweis auf die allzu enge Fassung
der philosophischen Aufgaben bei der Verabsolutierung des Wertgesichtspunktes und
auf die einseitige und auch sonst angreifbare Würdigung der kritischen Methode ver-
mehren lassen, heben die Tatsache nicht auf, daß auch hier ein echtes Stück absoluter
Pbilosophie erfaßt ist. Die ISde## eines Eigenwertes, um des willen alle anderen bloße
Wirkungswerte sind, konstituiert hier den Begriff des Absoluten. Zugleich ist damit
ein Ziel und die Möglichkeit seiner Verfehlung gesetzt. Wahrheit, Gutheit und Schön-
heit werden zu Aufgaben, zu Zdealen, und die Bedingungen, von deren Erfüllung es
abhängt, daß jenes Ziel erreicht wird, zu Normen und praktischen Gesetzen.
Marburger Schule. * n“ r n wrierds viain ihan Hl-
ophenschule der Gegenwart in einem n Sinne
Das Absolute ale- Gesetz. amentlich auf das Gesetz und das in der Unendlichkeit
liegende Ziel alles Forschens bezogen. Absolute Geltung hat hiernach nicht ein bestimmtes
Ergebnis der wissenschaftlichen Untersuchung, sondern nur das Gesetz ihres Fortschritts,
und so tritt zu der absoluten Tatsache und dem absoluten Wert das absolute Gesetz,
die ewige Methobe der Erzeugung von Gegenständen, der Erkenntnis und des Denkens.
Oazu haben wir auch die letzten Prinzipien zu rechnen, die axiomatischen Voraussetzungen,
deren Geltung aller abgeleiteten Einsicht zugrunde liegt. Es sind besonders die exakten
Wissenschaften und die idealen Gegenstände, denen diese in Marburg entstandene, von
Cohen und Natorp geleitete Philosophenschule Rechnung zu tragen versucht.
Das Sostem der Philosophie, das Cohen in seinen drei ersten Teilen, der Logik,
Ethik und sthetik bereits vorgelegt hat, schreitet auf hohem Kothurn einher, in ge-
tragener und prägnanter, mit sentenzartigen Wendungen durchsetzter Rede und mit
eigenartigen und tiefsinnigen Bildern. Die reine Erkenntnis, die nicht an ein Gegebenes,
d. h. außerhalb des Denkens Bestehendes gebunden ist, die ihre Gegenstände erzeugt,
gilt der Marburger Schule als Typus aller Wissenschaft. Die gesetzmäßigen Bestim-
mungen an diesen Gegenständen und die Methoden, die zu ihrer Auffindung angewandt
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