Philologie
I. Die Altertumswissenschaften
Von D. Dr. Alrich von Wilamowitz-Moellendorff, Professor an der
Iniversität Berlin, Wirklicher Geheimer Rat, Mitglied des Herrenhauses
Eine Wissenschaft macht die entscheidenden Fortschritte durch die freie und selb-
ständige Leistung des Einzelnen, der das Zeug dazu hat. Was planmäßige Organisation
der Arbeit schaffen kann, ist nur die Bereitstellung des Materiales. Die Altertumswissen-
schaft besaß in Theodor Mommsen einen Mann der ersten Art, der zugleich die Arbeit
der Materialsammlung in großem Stile zu organisieren verstand. Sein eignes Schaffen
reicht noch in die Regierungszeit Kaiser ilhelms II., und er hat noch zuletzt zwei Unter-
nehmungen in Fluß gebracht, an die er selbst kaum noch Hand anlegen wollte. Ohne
seinen Einfluß würden Reich und Einzelstaaten nimmermehr die ungeheuren Summen
für den Thesaurus linguae Latinae hergegeben, noch die Untersuchung der römischen
Grenzbefestigung gegen die Germanen unternommen haben. Die Sammlung des ge-
samten lateinischen Wortschatzes war möglich, weil durch die Arbeit von vier Jahrhunder-
ten die Dokumente der Sprache gesammelt und im ganzen befriedigend ediert waren.
Oies Werk ist also in gewissem Sinne ein Abschluß. Die Untersuchung des Limee ist ein
Anfang. Schon hat sie sich zu der planmäßigen Erforschung aller Zeugnisse des ver-
gangenen Lebens ausgewachsen, die der Boden birgt, und schon greift sie über die Gren-
zen des einmal römischen Gebietes hinaus. Keine Frage, daß diese wissenschaftliche
Bodenforschung sich über ganz Deutschland erstrecken muß und die sogenannte Prähistorie
für die Geschichte erobern. Das neugegründete römisch-germanische Institut erfüllt
die Aufgabe, die in Griechenland erfundene neue Technik der Wissenschaft des Spatens
auf die Heimat zu übertragen. Dort sind neben dem athenischen Institute namentlich
die Berliner Museen tätig gewesen. Pergamon Priene Milet legen das stolzeste Zeugnis
dafür ab, daß der Raubbau nach Kunstwerken der allumfassenden Erforschung des Landes
gewichen ist. Auch hier fordert die Wissenschaft die Fortsetzung ins unabsehbare, denn
jeder Fleck, der aufgehellt wird, läßt die Nacht fühlen, die über der Nachbarschaft lagert.
Weil die Initiative eines einzelnen Gelehrten die Insel Thera durchforscht hat, erscheint
diese uns bedeutend, was sie doch zu keiner Zeit wirklich gewesen ist. Zonien aber hat
eine Bedeutung zu allen Zeiten, die Heimat Homers ist auch die Heimat der Wissenschaft;
so drängt alles nach der Erschließung Joniens: ODa gibt eine geologische Karte, ausgeführt
mit Unterstützung der Akademie, eine unschätzbare Grundlage. Der archäologischen
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