30 Eisenbahnen, Straßen- und Luftverkehr, Post und Telegraph. VII. Buch.
Deutschland 70 000 Kraftfahrzeuge (einschließlich Krafträder). 10% hiervon dienten
dem Lasttransport. Von den der Personenbeförderung dienenden Kraftfahrzeugen fin-
den rund 30% für Vergnügungs- und Sportzwecke, alle übrigen für geschäftliche oder
berufliche Zwecke BVerwendung. Die dem Lastenverkehr dienenden Fahrzeuge nehmen
verhältnismäßig stärker zu als die dem Personenverkehr dienenden.
Das Pferdefuhrwerk, das schon durch die Eisenbahn aus der herrschenden Stellung,
die es jahrtausende lang eingenommen hatte, in die dienende verdrängt worden war,
hat in unserer Zeit abermals einem neuen Verkehrsmittel weichen müssen. Aber auch
diesmal wird der Kampf nicht zur Ausschaltung der altehrwürdigen Technik führen.
Das Pferdegespann wird sein Anwendungsgebiet behalten, in das ihm das Kraftfahr-
zeug nicht folgen kann, und bald wird das wachsende Verkehrsbedürfnis in unserer rasch-
lebigen Volkswirtschaft die Einbuße, die das Pferdefuhrwerk in seiner Verbreitung zu-
nächst erleiden mußte, wieder ausgeglichen haben.
Das neue Mittel des Weltverkehrs hat auch die Verkehrspolitik vor neue Pro-
bleme gestellt.
Der Kraftwagenverkehr ist mit nicht geringen Gefahren für das Publikum verbunden.
Die Gesetzgebung mußte daher sowohl die zivilrechtliche Haftbarkeit bei vorkommenden
Unfällen regeln, als auch dem Eintritt solcher Unfälle durch polizeiliche Vorschriften vorzu-
beugen suchen.
Die gewöhnliche Verschuldenshaftung des bürgerlichen Rechts war gegenüber dem
Kraftwagenverkehr nicht ausreichend. Das Reichsgesetz vom 3. Mai 1909 hat daher die
Verschuldenhaftung durch die Gefährdungshaftung ersetzt. Der Fahrzeughalter
soll, ähnlich wie nach dem Reichshaftpflichtgesetz der Eisenbahnunternehmer, ohne Nück-
sicht auf sein BVerschulden für die Beschädigungen haften, die durch das Fahrzeug herbei-
geführt werden, allerdings nur insoweit, als es sich nicht um die durch das Fahrzeug be-
förderten Personen und Sachen selbst handelt. Auch ist die Haftpflicht des Fahrzeug--
halters zum Unterschied von der Haftpflicht des Eisenbahnunternehmers durch bestimmte
Höchstbeträge begrenzt. Damit sind die Interessen des Publikums gewahrt, ohne daß
die Entwicklung des neuen Verkehrsmittels gehemmt wird.
Das gleiche Reichsgesetz enthält auch die grundlegenden Bestimmungen für die
polizeiliche Regelung des Verkehrs mit Kraftfahrzeugen. Eine Bundesratsverordnung
vom 3. Februar 1910 hat die nötigen Ausführungsvorschriften erlassen. Die polizei-
lichen Anordnungen, die durch Strafandrohung gesichert sind, beziehen sich auf die Kenn-
zeichnung der Wagen, die Prüfung der Wagenführer, das Verbot von Wettfahrten usw.
Die Fahrgeschwindigkeit ist innerhalb geschlossener Orte auf 15 km in der Stunde be-
schränkt. Auf freier Landstraße ist in liberaler Weise nicht wie in anderen Ländern eine
bestimmte Höchstgeschwindigkeit vorgeschrieben, sondern nur gefordert, „daß die Fahr-
geschwindigkeit jederzeit so eingerichtet wird, daß Unfälle und Verkehrsstörungen ver-
mieden werden und daß der Führer in der Lage bleibt, unter allen Umständen seinen
Verpflichtungen Genüge zu leisten“.
Der Kraftwagenverkehr macht an den Landesgrenzen nicht Halt. Am 11. Oktober
1909 ist in Paris unter fast allen europäischen Staaten ein internationales Abkom-
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