Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Dritter Band. (3)

  
VII. Buch. Eisenbahnen, Straßen- und Luftverkehr, Post und Telegraph. 31 
  
men über den Kraftwagenverkehr abgeschlossen worden, zu dem unterm 21. April 1910 
eine deutsche Ausführungsverordnung ergangen ist. 
Wie in den meisten europäischen Ländern, so ist auch in Deutschland eine Kraft- 
wagensteuer eingeführt worden. Nach dem Reichsgesetz vom 3. Zuni 1906 wird die 
Steuer, die keineswegs von drückender Höhe ist, in Stempelform für die Erteilung der 
Erlaubniskarten erhoben. 
Die Heeresverwaltung gewährt den Besitzern von sogenannten Armeelastzügen, 
d. i. für militärische Zwecke brauchbaren Kraftfahrzeugen bestimmter Leistungsfähigkeit 
einmalige und auf die Dauer von 5 Jahren jährlich wiederkehrende Prämien und sichert 
sich dadurch einen stattlichen Park von Transportmitteln für den Mobilmachungsfall 
zu verhältnismäßig billigem Preise. Das Vorgehen der deutschen Heeresverwaltung, 
das auch anderwärts Nachahmung gefunden hat, ist nicht nur von großer Bedeutung für 
die Wehrkraft der Nation, sondern hat auch eine günstige Rückrwirkung auf die Wirtschaft- 
lichkeit des Lastenverkehrs und auf die Entwicklung der deutschen Kraftwagenindustrie 
ausgeübt. 
Der Luftverkehr. 
Has lenkbare Luftschiff. Das letzte Menschenalter hat dem vieltausendjährigen 
Sehnen des Menschengeschlechts, dem Vogel gleich 
willkürlich den Luftraum zu durchmessen, Erfüllung gebracht. Es lag nahe, zur Er- 
reichung dieses Zieles an die ein Jahrhundert alte Technik des Luftballons anzu- 
knüpfen und diesen durch entsprechende Formgebung und durch Ausrüstung mit 
Motor, Propeller und Steuer zum lenkbaren Fahrzeug umzugestalten. Als Motor war 
der durch die Automobiltechnik vortrefflich ausgebildete leichte Benzinmotor fast ohne 
weiteres brauchbar. Nachdem es schon 1884 einem französischen Lenkballon gelungen 
war, bei einer Fahrt von fast 8 km Länge zu seinem Ausgangspunkt zurückzukehren, 
haben kühne Sportsleute und geistvolle Ingenieure in Frankreich um die Jahrhundert- 
wende die ersten praktisch brauchbaren Lenkluftschiffe hergestellt. 
Um die gleiche Zeit, zu der in Frankreich diese erfolgreichen Arbeiten durchgeführt 
wurden, trat auch ein deutscher Mann an die Lösung des Problems heran. Es war 
Graf Zeppelin, dem das Verdienst gebührt, das erste deutsche lenkbare Luftschiff 
erbaut zu haben. Während man aber in Frankreich das halbstarre Sostem verfolgte, bei 
welchem unter der Ballonhülle ein starrer Längskörper angebracht und dadurch dem 
Fahrzeug eine feste Längsform gegeben wird, war der Grundgedanke der Zeppelinschen 
Lösung die Herstellung des Luftschiffes aus einem durchaus starren Gerippe von schlanker 
zplinderischer Gestalt, das in seinem Innern eine Reihe selbständiger, mit Wasserstoff 
gefüllter Abteilungen aufnahm. Oie ersten Versuche mißglückten vollständig. Aber mit 
bewunderungswürdiger Beharrlichkeit verfolgte Graf Zeppelin den eingeschlagenen 
Weg weiter. Endlich am 9./10 Oktober 1906 gelangen die ersten Fahrten über dem Boden- 
see, am 1. Zuli 1908 unternahm er die denkwürdige Zielfahrt in die Schweiz, eine der 
kühnsten und aeronautisch schwierigsten Leistungen, die wohl je ausgeführt wurden, und 
  
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