32 Eisenbahnen, Straßen- und Luftverkehr, Post und Telegraph. VII. Buch.
wenige Wochen darauf die große zweitägige Dauerfahrt nach Mainz, die mit der heute
noch nicht voll aufgeklärten Katastrophe von Echterdingen endigte. Aber dieses neuer-
liche Mißgeschick konnte das deutsche Zeppelin-Luftschiff in seinem siegreichen Vorwärts-
dringen nicht mehr aufhalten. Die große Fernfahrt hatte in Deutschland einen gewaltigen
Eindruck gemacht, eine allgemeine nationale Begeisterung bemächtigte sich des deutschen
Volkes, und durch eine freiwillige Sammlung wurde ein Kapital von über 7 Millionen
Mark aufgebracht für die Fortsetzung des Luftschiffbaues in großem Stil.
Wohl war auch in der Folge noch manches widrige Geschick zu überwinden, aber
immer vollkommner wurde der Bau der Luftschiffe, immer größer ihre Geschwindig-
keit und damit ihre Unabhängigkeit von den Luftströmungen. Die neuesten Luftkreuzer
bes Zeppelintops erhalten Maschinen mit bis zu 500 Pferdestärken, die ihnen einen Vor-
trieb von mehr als 75 km in der Stunde verleihen. Sie sind die schnellsten Luftschiffe
der Welt und können auch gegen stürmische Winde erfolgreich ankämpfen.
AAuch das unstarre Luftschiff hat in Deutschland seine vollkommenste Ausbildung er-
fahren. Das Zeppelin-Luftschiff ist um so erfolgreicher, je größer seine Dimensionen
sind, es kann nur in seinem eigenen Element und mit der eigenen Maschinenkraft von
Ort zu Ort befördert werden. Das unstarre System ermöglicht die Herstellung viel lei-
nerer Fahrzeuge, die jederzeit ohne Schwierigkeit zerlegt und verpackt werden können.
Das unstarre Luftschiff ist von Major Parsefal geistvoll durchgebildet und zu einem
vielseitig verwendbaren und überaus leistungsfähigen Fahrzeug ausgestaltet worden.
Es ist ein interessantes Beispiel jener nicht seltenen Duplizität
der Ereignisse, daß fast um die gleiche Zeit, zu der es gelang, die
ersten praktisch brauchbaren Lenkballons zu bauen, das Flugproblem auch mit Fahr-
zeugen schwerer als die Luft seiner Lösung zugeführt wurde.
Auf Grund genauer Beobachtung des Vogelflugs baute der Berliner Flugforscher
Lilienthal zu Beginn der 1890-er Jahre Eleitflugapparate, die teils aus einfachen, teils
aus doppelt übereinander angeordneten Tragflächen bestanden und mit denen er beim
Abflug von einer Anhöhe unter geschickter Ausnutzung des Gegenwindes Entfernungen von
mehreren hundert Metern freischwebend in der Luft zurücklegen konnte. Lilienthal fiel
seinen kühnen Versuchen zum Opfer, als er eben im Begriffe stand, zum Flug mit moto-
rischer Kraft überzugehen.
Seine bahnbrechenden Arbeiten wurden zur Grundlage der Erfindung des Flug-
zeugs. Auf Lilienthal bauten die beiden Amerikaner Gebrüder Wright bei ihren Ver-
suchen in den Vereinigten Staaten auf. Sie rüsteten ihren als Doppeldecker ausge-
bildeten Gleitflieger mit Motor und Propeller aus, und damit gelang es ihnen, in den
Jahren 1903 bis 1905 die ersten Flüge auszuführen. So war das Flugzeug geschaffen.
Es wurde in der Folge, insbesondere in Frankreich wesentlich vervollkommnet, neben
dem Doppeldecker wurde auch der viel leichtere, geschwindere, aber auch gefährlichere
Eindecker ausgebildet. Auch deutsche Piloten haben mit deutschen Apparaten bedeu-
tende Flüge ausgeführt. So hat der Münchener Ingenieur Hirth auf einer Rumpler-
schen Taube die 530 km lange Strecke München—Berlin in 5¾ Stunden Flugzeit
Das Flugzeug.
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