Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Dritter Band. (3)

  
44 Eisenbahnen, Straßen- und Luftverkehr, Post und Telegraph. VII. Buch. 
  
ihre Verwaltungsgebiete sich ebenfalls anschlossen. In erster Linie erfuhr der ZBeitungs- 
tarif eine zeitgemäße Reform. Während nach dem alten Tarif die Zeitungsgebühr 
nicht nach den verschieden hohen wirklichen Leistungen der Post, sondern in festen Prozent- 
sätzen von dem durch den Verleger bestimmten Zeitungepreise berechnet wurde, zieht 
der neue Tarif, um eine gerechtere Wirkung herbeizuführen, jede Einzelleistung der Post 
in Berücksichtigung. Die nunmehrige Zeitungsgebühr setzt sich zusammen aus je einem 
besonderen Satze für die Bezugszeit, die Erscheinungsweise und das Gewicht der Zei- 
tungen. Im weiteren wurde das Meistgewicht des die einfache Portotaxe zahlenden 
Briefes von 15 auf 20 g und die Ortstaxe auf Briefe des Nachbarortsverkehrs ausgedehnt. 
Die Vergünstigung dieser letzteren Ermäßigung ist zahlreichen Orten zuteil geworden. 
Ein weiteres Gesetz vom 20. Dezember 1899 schuf für 
das Reichstelegraphengebiet eine neue Fernsprech-Ge- 
bührenordnung, die im wesentlichen auch für Bayern und zum großen Teil auch 
für Württemberg angenommen wurde. Der am 1. Juli 1891 in Kraft getretene 
Tarif hatte für alle Telephonanschlüsse ohne Unterschied der Größe der Städte und 
Netze und ohne Rücksicht auf die Benutzung der einzelnen Alrschlüsse eine einheit- 
liche JZahresgebühr von 150 Mark vorgesehen; außerdem wies dieser Tarif für den 
telephonischen Fernverkehr, obgleich inzwischen die Gebührensätze wiederholt ermäßigt 
worden waren, immer noch Mängel auf. Nach der mit 1. April 1900 ins Leben getre- 
tenen Neuregelung haben die Teilnehmer nach ihrer Wahl zu entrichten: entweder 
eine je nach der Größe der Ortsnetze abgestufte Bauschgebühr in Zahresbeträgen zwischen 
80 und 180 Mark oder je nach der Größe der Ortsnetze und dem Maße der Benutzung eine 
Grundgebühr, in 4 Stufen von 60—100 Mark jährlich steigend, nebst einer Gesprächs- 
gebühr von 5 Pfennig für jede Verbindung. Für die Benutzung der Fernsprechverbin- 
dungsanlagen werden Einzelgebühren erhoben, die nach der Entfernung in 6 Sätzen 
von 20 Pfennig bie 2 Mark abgestuft sind. Durch den neuen Tarif ist eine größere Gleich- 
mäßigkeit und Gerechtigkeit in der Gebührenbemessung erreicht worden. Er hat sich aber 
im Laufe der Zeit gleichwohl wieder als reformbedürftig erwiesen, da durch ihn dieje- 
nigen Teilnehmer, die von der Fernsprecheinrichtung gegen Bauschgebührenzahlung 
einen übermäßigen Gebrauch machen, ungebührlich begünstigt werden. Der im Jahre 
1909 dem Reichstage vorgelegte Entwurf einer neuen Fernsprechgebührenordnung ist 
jedoch nicht Gesetz geworden. 
Fernsprechgebühren. 
  
Postscheck. Auf Grund des Reichsgesetzes vom 18. Mai 1908 ist am 1. Januar 1909 die 
Postscheckordnung für das Reichspostgebiet in Kraft getreten; zu dem 
gleichen Zeitpunkt wurde nach den gleichen Grundsätzen das Postscheck- und Überweisungs- 
verfahren in Bayern und Württemberg eingeführt. Die Erwartungen, die an die Neu- 
einrichtung geknüpft wurden, haben sich voll erfüllt. Es ist als Wirkung des neuen Ver- 
fahrens, das eine ungewöhnlich rasche und starke Entwicklung aufweist, eine ganz erhebliche 
Beschränkung in der Bargeldbewegung eingetreten und damit für den allgemeinen 
Zahlungeverkehr eine große Menge von Barmitteln flüssig geworden: ein Vorteil, der 
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