VII. Buch. Wasserstraßen und Binnenschiffahrt. 53
scheinung ergibt sich im wesentlichen aus folgenden Ursachen: das Schiff ist billiger als
die seiner Tragfähigkeit entsprechende Zahl von Eisenbahnwagen, die Nutzlast steht bei
ihm zur toten Last, d. h. zum Eigengewicht des Transportmittels, in günstigerem Ver-
hältnis, es bedarf einer geringeren Bedienungsmannschaft, und es erfordert eine geringere
Kraftleistung zur Fortbewegung, weil das Gewicht des Schiffes durch das des verdräng-
ten Wassers ausgeglichen wird und der Reibungswiderstand im Wasser geringer ist als
auf der Schiene. Endlich ist die bewegende Kraft in einem Dampfer, namentlich in einem
Schleppdampfer billiger herzustellen als in einer Lokomotive. Diese Momente der Über-
legenheit kommen freilich nicht bei jedem Schiffe, sondern nur bei Fahrzeugen von ge-
wissen Mindestmaßen zur Geltung und ihre Wirkung steigert sich im allgemeinen mit
der zunehmenden Schiffsgröße. Hieraus ergab sich einerseits die Erklärung für die
Verödung der älteren, nur mit kleinen Schiffen befahrenen Wasserstraßen, wie Mosel,
Lahn, Nuhr, Lippe, Werra, Fulda, andererseits die Erkenntnis von der Notwendigkeit
des Baues von Großschiffahrtswegen, d. h. von Wasserstraßen für größere Transport-
gefäße. Die Bestimmung der wirtschaftlich-technischen Voraussetzungen für eine prak-
tische Wasserstraßenpolitik in diesem Sinne, die Herausbildung exakter Methoden für
die Berechnung der wirtschaftlich richtigen Schiffsgrößen, der Transportselbstkosten und
Frachten auf künftigen Schiffahrtswegen, bedeutete einen wesentlichen Fortschritt; denn
hierdurch konnten für die großen wasserwirtschaftlichen Gesetze des letzten Vierteljahr-
hunderts brauchbare AUnterlagen geschaffen werden, wie sie insbesondere dem preußi-
schen Kanalgesetzentwurf vom Fahre 1899 beigegeben waren. Die Überzeugung von
der volkswirtschaftlichen Daseinsberechtigung der Wasserstraßen wurde so auf neue Funda-
mente gestellt, besser, sicherer und wirksamer begründet und in weiteren Kreisen verbreitet.
Diese wirtschaftlich - technischen Unter-
suchungen in Verbindung mit dem Stre-
ben nach Herstellung eines zusammenhängenden deutschen Wasserstraßennetzes durch
Verbindung der bisher getrennten Stromgebiete gaben ferner den Anlaß zur Heraus-
bildung gewisser Normen für den Bau von Schiffahrtswegen. Das konnte zwar
nicht in dem vollkommenen Maße wie im Eisenbahnwesen erreicht werden, wo fast völlige
Eleichheit im ganzen deutschen Wirtschaftsgebiete hinsichtlich der Fahrbahn und der Ver-
wendbarkeit der Betriebsmittel herrscht; dazu sind die gegebenen Verhältnisse der natür-
lichen Wasserstraßen und auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen des Schiffahrts-
betriebes in den einzelnen Landesteilen zu verschieden. Aber es bildete sich doch der
Grundsatz heraus, daß bei Kanalbauten und Flußkanalisierungen im Westen regelmäßig
ein Schiff von 600 t, für den Osten ein Fahrzeug von 400 t als normales Betriebsmittel
vorauszusetzen seien. Dabei ist als Grenze zwischen Westen und Osten im allgemeinen
die Elbe angenommen, wenngleich einige Linien des östlich anschließenden Netzes der
märkischen Wasserstraßen ebenfalls für Schiffe von 600 t ausgebaut sind, vor allem der
neue Großschiffahrtsweg zwischen Berlin und Stettin. Beide Schiffstypen sind in dem
Sinne zu verstehen, daß bei einer angenommenen Länge, Breite und Tauchtiefe die
angegebenen Tragfähigkeiten unter der Voraussetzung einer gewissen Bauweise sich er-
Baunormen für Schiffahrtswege.
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