Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Vierter Band. (4)

  
226 Die Entwicklung der Chirurgie. X. Buch. 
  
nach Möglichkeit fest, obwohl wir über zuverlässige Mittel zur Ausschaltung der Hand 
verfügen; namentlich unterlassen wir bei Verbandwechseln grundsätzlich die unmmittel- 
bare Berührung, weil jede nicht ganz frische Wunde Bakterien enthält, und die einmal 
der Hand anheftenden Mikroorganismen nur sehr schwer wieder zu entfernen sind. 
Weit sicherer als das nicht immer strikt durchführbare „händelose Operieren“ ist die 
Verwendung des Handschuhs bei der Wundbehandlung. Da ein völliger undurchlässiger 
Abschluß der auch trotz gründlichster Desinfektion niemals ganz keimfreien Hand erreicht 
werden muß, so kommt nur ein undurchlässiger und gleichzeitig gut sterilisierbarer Hand- 
schuh in Frage, der Gummihandschuh, den heute fast alle TChirurgen sowohl zu Opera- 
tionen, wie zu infektiösen Verbandwechseln und Untersuchungen benutzen. Da die Gummi- 
handschuhe glatt sind, und solche mit rauher Oberfläche sich nicht bewährt haben, so tragen 
viele Operateure über den Gummihandschuhen noch sterilisierbare Zwirnhandschuhe, die 
als alleinige Bedeckung der Forderung einer völligen Ausschaltung der Hand nicht ge- 
nügen, als UÜberzug des Gummihandschuhes aber nicht nur dessen Glätte mindern, son- 
dern auch ein wirksames Schutzmittel für den zarten Gummi darstellen. Die Handschuhe 
schließen unmittelbar an die Armel des sterilisierten Operationsmantels an und bedecken 
sie zum Teil, so daß Hand und Arm des Operateurs an keiner Stelle freiliegen und mit 
der Wunde nur Material in Berührung kommt, welches in strömendem Dampf oder durch 
Auskochen mit voller Sicherheit keimfrei gemacht worden ist. Man wird einwenden, daß 
ess doch nicht möglich sei, mit einfachen oder gar doppelten Handschuhen überhaupt zu 
fühlen, um wieviel weniger sicher zu operieren. In der Tat haben wir alle, als die 
Handschuhe eingeführt wurden, erhebliche Schwierigkeiten zu überwinden gehabt, in 
kurzer Zeit aber haben wir uns an den veränderten Zustand angepaßt, und heute 
kann wohl die Mehrzahl der Chirurgen kaum noch ohne Handschuhe operieren, weil das 
überfeinerte Gefühl der Finger und die Zartheit der verwöhnten Haut schon das feste 
Knüpfen eines Fadens nicht mehr verträgt. 
Weit größere Schwierigkeiten als die Hand des 
Operateurs bot die Haut des Operationsfeldes. 
Auch bier hat man, da die üblichen Oesinfektionsverfahren keine völlige Keim- 
freiheit erzielten, eine gewisse Ausschaltung der Haut zu erreichen versucht durch 
kollodiumartige Uberzüge, die auch zur Bedeckung der Hand empfohlen wurden. Aber 
abgesehen davon, daß derartige Uberzüge nicht haltbar genug sind, versagen sie natur- 
gemäß an der Stelle, an welcher der Operationeschnitt die nicht keimfreie Haut durch- 
trennt. Eine große Zahl zum Teil komplizierter Desinfektionsverfahren, die sämtlich 
aufs eingehendste bakteriologisch geprüft wurden, hat hier lange Zeit eine wirksame 
Ausschaltung der Haut ersetzen müssen, voll befriedigt haben sie nicht. Erst in den letz- 
ten Jahren haben wir in der Grossichschen Jodtinkturdesinfektion ein ebenso einfaches 
wie zuverlässiges Verfahren kennen gelernt, das sich in kürzester Zeit allgemein eingebür- 
gert hat. Ein zweimaliger Anstrich mit frisch bereiteter Sprozentiger Zodtinktur genügt, 
um das Operationsfeld mit einer Sicherheit zu desinfizieren, welche die früheren, für den 
Arzt zeitraubenden, für den Patienten infolge des vielen Reibens und Bürstens höchst 
unangenehmen Verfahren nicht zu bieten vermochten. 
Haut des Operationsfeldes. 
  
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