252 Die Entwicklung der Chirurgie. X. Buch.
Wenn nun auch diese eine besondere Art der Hetero-Transplantation, welche den
Affen als Spender verwendet, sich als gangbar erwiesen hat, so bleibt dennoch für die
Operationen am Menschen die Auto- und Homoiotransplantation das gegebene Ver-
fahren. Betrachten wir von diesem Gesichtspunkte aus die Uberpflanzungsmöglichkeiten
bei den einzelnen Geweben.
Zunächst ist die Frage zu entscheiden: Bietet
die Transplantation ganzer Organe,
an welche so außerordentliche Hoffnungen geknüpft worden sind, Aussicht auf thera-
peutische Erfolge? Die Mäöglichkeit, ganze Organe zu überpflanzen, ergab sich erst, als
das Verfahren der Gefäßnaht in den Dienst der Transplantation gestellt wurde, denn die
Ubertragung des ganzen geschlossenen Organs konnte nur dann mit einer gewissen Aussicht
auf Erhaltung des komplizierten Gebildes erfolgen, wenn dessen gesamter Kreislauf mit
seinen zu- und abführenden Bahnen in das Gefäßsystem des neuen Standortes einge-
schaltet wurde. Die technische Ausbildung der zirkulären Gefäßnaht, um welche sich be-
sonders Alexis Carrel, Garre und Stich verdient gemacht haben, hat hier die Wege ge-
ebnet. Sie hat uns in den Stand gesetzt, die Kontinuität quer durchtrennter Arterien und
Venen wieder herzustellen, sie ermöglicht uns auch, ohne störende Gerinnselbildungen
ein Gefäßgebiet an ein anderes anzuschließen und so den Blutstrom in neue Bahnen über-
zuleiten. A#uch ein weitgehender Ersatz von Blutgefäßen ist durch die zirkuläre Ge-
fäßnaht ermöglicht worden, denn es gelingt nicht nur, Arterienstücke in Arterien, Venen-
abschnitte in Venen zu implantieren, sondern es kann auch, was für die menschliche Pa-
thologie besonders bedeutungsvoll ist, ein größerer Arteriendefekt durch ein, am besten
vom gleichen Individuum entnommenes Venenstück gedeckt werden, wobei die Zirku-
lation erhalten bleibt und sogar eine Umformung der Venenstruktur stattfindet.
Eine unendliche Fülle mühsamster Arbeit ist nun darauf verwandt worden, diese
Erfolge der Gefäßnaht und Gefäßtransplantation für die Uberpflanzung ganzer Organe
auszunutzen. Es seien nur die Experimente von Carrel, Stich, Enderlen und Borst
erwähnt. Der praktische Erfolg-hat leider der ausgewandten Mühe nicht entsprochen. Zwar
ist es gelungen, eine vollkommen ausgelöste Ai#ere, welche 50 Minuten lang jede Zir-
kulation entbehrt hatte, dem gleichen Hunde wieder einzupflanzen, indem die Gefäße des
Organs an die der Milz, der Niere oder des Beckens angeschlossen und der Harnleiter wieder
in die Blase eingepflanzt wurde. Es gelang sogar, die Funktionstüchtigkeit des Organs
dadurch zu erweisen, daß dem Tiere ohne Schaden die andere Niere entfernt werden konnte.
Aber der Versuch hatte doch nur dann einen dauernden Erfolg, wenn das Organ in das
gleiche Tier zurückgepflanzt, also auto-transplantiert wurde, und mißglückte stets, sobald
eine Homoio-, geschweige denn eine Hetero-Transplantation zur Ausführung gelangte.
So mußte man, wollte man überhaupt Organe und Organteile verpflanzen, wieder
auf die alten Versuche zurückgreifen, die Transplantation ohne Rücksicht auf die Ernäh-
rung durch die Blutgefäße vorzunehmen. Versuche dieser #rt sind schon vor längerer
Zeit von Kocher, v. Eiselsberg, Enderlen und anderen angestellt worden. Sie experi-
mentierten mit einem Organ, welches durch seine innere Sekretion und die mit der Organ-
therapie erzielten Erfolge für derartige Versuche ganz besonders geeignet erschien, mit
Überpflanzung ganzer Organe.
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