Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Vierter Band. (4)

  
294 Veterinärmedizin. X. Buch. 
und in mehrfacher Beziehung als Muster für die Regelung der Fleischbeschau im deutschen 
Reiche gedient hat. So konnte es denn geschehen, daß bereits 3 Jahre nach Einführung der 
allgemeinen Fleischbeschau im Königreich Sachsen für das ganze Deutsche Reich durch 
Reichsgesetz vom 3. Zuni 1900 eine allgemein verbindliche Schlachtvieh- und Fleischbeschau- 
eingeführt wurde. 10 Jahre ist dieses Gesetz munmehr in Kraft, und wenn auch zugegeben 
werden muß, daß einzelne Bestimmungen, so vor allem die über die Hausschlachtungen, 
der Abänderung bzw. Ergänzung bedürfen, so sind doch alle kompetenten Beurteiler 
darin einig, daß sich das deutsche Fleischbeschaugesetz in allen wesentlichen Punkten bewährt 
und dem Deutschen Reiche und seinen Bewohnern reichen Segen gebracht hat. 
Milchkontrolle. Nächst dem Fleische spielt die Milch als Nahrungemittel 
tierischen Ursprungs für den Menschen eine wichtige Rolle, 
und es ist nur folgerichtig, wenn man darauf bedacht ist, die menschliche Ge- 
sundheit auch gegen die Gefahren zu schützen, die mit dem Genuß von Milch kranker 
Tiere verknüpft sind. Auch auf diesem wichtigen Gebiete der Nahrungemittel- 
hygiene sind in den letzten 25 Jahren Fortschritte zu verzeichnen. Wenn es auch schon seit 
mehreren Jahrzehnten wenigstens in den Städten eine polizeiliche Milchkontrolle gibt, 
so richtet sich diese in der Hauptsache doch nur gegen die Entrahmung bzw. Wässerung der 
Milch, hat also mehr den Geldbeutel der Konsumenten als deren Gesundheit im Auge. 
Es muß daher als eine bedeutsame Wandlung auf diesem Gebiete der öffentlichen Ge- 
sundheitspflege begrüßt werden, daß wenigstens die an einer sachgemäßen Regelung des 
Milchverkehrs am meisten interessierten Kreise einzusehen beginnen, daß es bei der Milch- 
kontrolle tatsächlich noch andere Dinge zu beachten gibt als Fettgehalt und spezifisches 
Gewicht. Allerdings ist von dieser Erkenntnis bis zur Einführung einer allen Anfor- 
derungen genügenden Milchkontrolle noch ein weiter Weg, und wer die Schwierigkeiten 
kennt, versteht sehr wohl die Zurückhaltung der Behörden, auf diesem Gebiete gesetz- 
geberisch vorzugehen. Um so größer ist das Verdienst Preußens, in jüngster Zeit 
wenigstens den Versuch gemacht zu haben, durch Herausgabe von Normalbestimmungen 
über die Regelung des Milchverkehrs diese heiklle Frage wieder in Fluß zu bringen. War 
es schon bei der Fleischbeschau schwierig, der Anschauung Geltung zu verschaffen, daß die 
Kontrolle, wenn sie wirksam sein soll, an den Produktionsstätten einzusetzen habe, so 
liegen die Verhältnisse noch unendlich viel schwieriger bei der Kontrolle der Milch, deren 
Gewinnung sich an zahlreichen kleinen Produktionsstätten vollzieht, die nicht einfach durch 
ein Machtwort, wie bei der Fleischbeschau durch die Bestimmung über die Errichtung von 
Schlachthäusern, in wenige zentralisierte Betriebe zusammen gelegt werden können. 
Und doch kann es keinem Zweifel unterliegen, daß auch die „Milchbeschau“ an den Pro- 
duktionsstätten einsetzen muß, wenn sie ihren Zweck, die Gesundheit des Konsumenten zu 
schützen, wirklich erfüllen soll. 
Eine wichtige Förderung haben die auf eine wirksame Kontrolle der Milch hinzielen- 
den Bestrebungen durch die seit einem Zahrzehnt in allen Kulturstaaten durchgeführten, 
munmehr im wesentlichen abgeschlossenen Untersuchungen über die Beziehungen zwischen 
Aenschen- und Rindertuberkulose erfahren. Bekanntlich haben diese Untersuchungen, an 
  
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