Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Vierter Band. (4)

  
298 . Veterinärmedizin. « X. Buch. 
  
Mit dem Aufschwung der BVeterinärmedizin in den letzten 25 Jahren haben natür- 
lich auch ihre Lehr- und Forschungsanstalten eine angemessene Erweiterung und 
einen neuzeitlichen inneren Ausbau erfahren müssen. Vorangegangen ist in dieser Be- 
ziehung die tierärztliche Hochschule in Hannover, die dank der Tatkraft Dammanns 
noch an der Wende des FJahrhunderts einen mustergültigen Neubau erhalten hat. Ein 
ähnlicher umfassender Neubau ist gegenwärtig bereits für die Dresdener Tierärztliche 
Hochschule geplant und für die Münchener Hochschule ernstlich in Erwägung gezogen, 
während die Berliner Tierärztliche Hochschule den neuzeitlichen Anforderungen durch um- 
fassende Erweiterungs- und Neubauten auf dem alten geräumigen Areale inmitten der 
Stadt genügen konnte. Die Verhandlungen über den Neubau der Tierärztlichen Hochschule 
in Stuttgart haben leider dazu geführt, daß diese fast 100 Jahre alte tierärztliche Hoch- 
schule vor Zahresfrist endgültig aufgehoben worden ist. 
Aber trotz aller Neu- und Erweiterungsbauten wäre der hohe Stand, den die tier- 
ärztlichen Hochschulen gegenwärtig einnehmen, nicht erreicht worden, wenn nicht die alte, 
enge, mehr patriarchalische Organisation der ehemaligen Tierarzneischulen mit einem ein- 
zigen verantwortlichen Direktor an der Spitze, die man auch nach Erhebung dieser An- 
stalten zu Hochschulen einstweilen noch beibehalten hatte, allmählich durch eine freiere 
akademische Verfassung, die schließlich im Wahlrektorat gipfelte, ersetzt worden wäre. 
Allerdings standen der Einführung einer akademischen Verfassung an den einzelnen Hoch- 
schulen zunächst recht erhebliche Schwierigkeiten entgegen, so daß die Neuorganisation 
nicht überall mit der gleichen Schnelligkeit und dem gleichen Erfolge durchgeführt werden 
konnte. Am raschesten hat sich die Entwickelung vom Direktorat bis zum Wahlrektor an der 
Berliner und an der Dresdener Hochschule vollzogen, die beide im ZJahre 19083 eine freiere 
akademische Verfassung und im Anschluß daran das Wahlrektorat erhalten haben. Seit 
Frühjahr 1913 erfreut sich auch die tierärztliche Hochschule in Hannover der gleichen Ver- 
fassung wie die Berliner Schwesteranstalt, und auch für die Münchener Hochschule dürfte 
die Einführung einer akademischen Verfassung unmittelbar bevorstehen. 
Schon bald nach Einführung der Maturität als Vorbedingung 
für das Studium der Beterinärmedizin setzte eine Bewegung ein, 
welche die Erlangung des Promotionsrechtes für die tierärztlichen Hochschulen 
zum Ziele hatte. Zwar wird bereits seit Mitte des vorigen Jahrhunderts die Würde 
eines Dr. med. vet. von der medizinischen Fakultät der Universität Gießen, die von alters 
her eine besondere tierärztliche Abteilung besitzt, unter den gleichen Bedingungen wie 
die medizinische Doktorwürde verliehen, aber für die tierärztlichen Hochschulen gab es 
ein gleiches Recht nicht. Die Dresdener tierärztliche Hochschule, der bereits im Jahre 1903 
das Recht der Ernennung von Privatdozenten eingeräumt war, war auch die erste die 
im Jahre 1907 dank dem zielbewußten Vorgehen Ellenbergers das Recht erlangte, 
gemeinsam mit der medizinischen Fakultät der Universität Leipzig Tierärzte zu Doktoren 
der Veterinärmedizin zu promovieren. Nach Uberwindung außerordentlicher Hinder- 
nisse und nicht zuletzt dank dem entschlossenen selbständigen Vorgehen Bayerns wurde 
endlich im Jahre 1910 auch den übrigen tierärztlichen Hochschulen das Promotionsrecht 
Promotionsrecht. 
  
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