Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Vierter Band. (4)

  
X. Buch. II. Ackerbau. 319 
  
also durch Zwischenfruchtbau, die Gründüngung durchführen. Der wesentliche Unter- 
schied ist nur der, daß auf leichtem Boden für diese Zwecke vorwiegend die Lupine in 
Frage kommt, deren Verwendung als Futter in grünem, nicht ausgereiftem Zustande, 
wie er beim Zwischenfruchtbau nur zu erreichen, so gut wie ausgeschlossen ist, während auf 
besserem Boden statt der Lupine nur solche Leguminosen in Frage kommen, bei denen 
in grünem Zustande auch eine Verfütterung an das Vieh nicht nur möglich, sondern 
sogar vorteilhaft ist. Bei diesen Pflanzen tritt also mit der Verwendung als Gründün- 
gung die zu Futterzwecken in Konkurrenz. In sehr vielen, vielleicht in den meisten Fällen 
kommt man dann bei richtiger Rechnung zu dem Ergebnisse, daß die Verwendung dieser 
auf dem besseren Boden gebauten Leguminosen zur Fütterung des Biehes und also für 
die so wichtige Erzeugung tierischer Produkte wirtschaftlich wertvoller ist, so daß hier die 
Gründüngung nicht eine ganz so hohe Bedeutung hat wie auf dem leichteren Boden. 
Noch einen weiteren Fortschritt im Ackerbau hat die 
hier behandelte Periode, allerdings erst in den letzten 
Zahren, dadurch gebracht, daß man der Frage der künstlichen Ackerbewässerung 
intensiver nahegetreten ist und namentlich versucht hat, sie auch in größerem Maß- 
stabe verwendbar zu machen. Das Ziel muß dabei sein, daß, ähnlich wie beim 
Gartenbau, die Pflanzen in der Vegetationsperiode möglichst niemals Mangel 
an Feuchtigkeit leiden. Wenn z. B. ein Sommer auch im ganzen genügend Nieder- 
schläge bringt, aber doch vielleicht eine kurze Trockenperiode enthält, so ist ein niedri- 
gerer Ertrag bei den Feldfrüchten zu erwarten, als wenn auch diese dürre Zeit durch 
Bewässerung unwirksam gemacht werden konnte. Nur in der Möglichkeit, die Feld- 
früchte ohne jede Unterbrechung sich entwickeln zu lassen, liegt der entscheidende 
Grund für die Brauchbarkeit der künstlichen Bewässerung auch in unseren deutschen 
Gebieten, also in dem immerhin mit mäßigen Niederschlagsmengen versehenen Teile 
Europas. Während in den eigentlichen ariden oder dürren Gebieten, wie sie sich in 
Nord-Amerika, Nord-Afrika, Australien u. a. finden, ohne Bewässerung überhaupt keine 
Erträge zu gewinnen sind und daher derartige Anlagen durch ihre gute Verwertung 
sich in hohem Maße lohnen, fällt bei unseren deutschen Gebieten ins Gewicht, daß auch 
ohne Bewässerung bereits eine leidliche Sicherheit der Erträge vorhanden ist, daß also 
diese nur noch um gewisse Prozente gesteigert werden können. Daß allerdings diese 
Steigerung sehr beträchtlich sein kann, haben die neueren Versuche mit der künst- 
lichen Ackerbewässerung, wie sie vor allem in dem Kaiser-Wilhelm-Institut 
in Bromberg ausgeführt wurden, gezeigt. Wenn die weiteren Versuche auf diesem 
Gebiete ähnlich hohe Erträge bringen, so kann man sagen, daß, nachdem in früheren 
Perioden die Einführung einer rationellen künstlichen Düngung und später die Ver- 
wendung leistungsfähigerer Pflanzensorten die bedeutsamsten Epochen in der Ent- 
wicklung der deutschen Landwirtschaft darstellten, diese mit der erfolgreichen Ein- 
führung einer künstlichen Ackerbewässerung in eine weitere neue Epoche ein- 
treten würde. Wie es bisher aber bereits zu einem hohen Prozentsatze der deutschen 
Landwirtschaft gelungen ist, die wachsende Bevölkerung zu ernähren, so würde 
Ackerbewässerung. 
  
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