340 Oie technischen Wissenschaften. X. Buch.
Nebenspannungen eiserner Fachwerkbrũcken gegeben. Besonders für Eisenbetonträger
in Fachwerkform eignen sich anscheinend die Rahmenträger gut. Ein abschließendes Urteil
ist jedoch heute noch nicht möglich. Beachtenswerte Arbeiten über den Vierendeelträger
sind neuestens zu verzeichnen von dem Altmeister Otto Mohr (Eisenbau, 1912, S. 85),
Ostenfeld (Eisenbau 1912, S. 358), Mann (Geitschrift für Bauwesen 1909 und Fest-
schrift Müller-Breslau), Engesser (Zeitschrift für Bauwesen 1913, S. 345) und vielen
anderen.
Eine besondere Stellung unter den Konstruktionen nehmen die
Raumfachwerke ein, die freilich hauptsächlich bei den Hochbauten
in Frage kommen, aber auch im Brückenbau von großer Bedeutung sind. Die Kenntnis
der bei diesen Konstruktionen auftretenden Kräfte, der Bedingungen ihrer Standfähig-
keit und die Berechnungsverfahren sind im letzten Vierteljahrhundert wesentlich geför-
dert worden. Hier sind zu nennen: Foeppl, Mohr, Henneberg, Müller-Breslau, Lands-
berg, Schlink u. a. Dabei waren gerade zwei Bauwerke die Veranlassung zu fortschritt-
fördernden Untersuchungen, die mit dem Deutschen Reich und Preußen in besonders
engen Beziehungen stehen: Der Reichstagsbau und der Dom in Berlin. Bei dem
Reichstagsbau mußte nachträglich eine große Kuppel, welche bedeutenden Winddrücken
ausgesetzt ist, auf verhältnismäßig schwaches Mauerwerk gesetzt werden. Die schwierige
Aufgabe führte dazu, daß Zimmermann eine neue Form der Kuppel und eine eigen-
artige Lageranordnung erfand. Oie auf streng wissenschaftlicher Grundlage beruhende
Konstruktion ist ein Triumph deutscher Wissenschaft. Der angedeutete Fortschritt ge-
hört zu denen, die nicht mühelos einem Sonntagskinde zufallen, sondern die auf Grund
der Kenntnis und genialer Berwendung der Naturgesetze gefunden werden. — Die Her-
stellung der großen Kuppel des Berliner Doms gab Müller-Breslau Veranlassung, die
Berechnungsweise der Kuppeln wissenschaftlich zu vertiefem. Endlich muß noch eine neue
Naumträgerart erwähnt werden, welche durch die Schwebebahn in Elberfeld-Barmen ver-
anlaßt wurde. Dieser Träger ist von Rieppel erfunden und wird nach seinem Erfinder
als Rieppelträger bezeichnet.
Die Gesetzmäßigkeiten im Aufbau der Fachwerke, sowohl der ebenen wie der
räumlichen Fachwerke, beschäftigte im letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts
die wissenschaftlich arbeitenden Ingenieure in hohem Maße. Für die einfachen Kon-
struktionen kannte man die Gesetze, für gewisse verwickelte Anordnungen fehlten die
Kenntnisse der Kriterien, welche beim Aufbau die Standfähigkeit maßgebend be-
stimmen. Die Lösung dieser Aufgabe ist den Arbeiten der letzten fünfundzwanzig Zahre
zu verdanken, wenn auch die grundlegenden Arbeiten schon einige Zahre früher veröffent-
licht waren. Durch das Verfahren des Ersatzstabes, wurde es möglich, die Frage nach
der Brauchbarkeit der Fachwerke und der Richtigkeit ihres Aufbaues zweifelfrei zu beant-
worten. Besonders wichtig ist dieses Berfahren für die Raumfachwerke, deren Konstruktion
dadurch eine sichere Grundlage erhalten hat. Die grundlegende Arbeit ist von Henne-
berg (Darmstadt) geleistet, die Verwendung für die praktische Konstruktionskunst ist das
Verdienst von Müller-Breslau. —
NRaumfachwerke.
1484